Meldungsdatum: 03.08.2020

Erweiterte Fassung mit neuem Bildmaterial „Enttäuschung“

Ausstellungs- und Vermittlungsprogramm der Kunsthalle Osnabrück / Einzelausstellungen von Aleksandra Domanović, David Polzin, Jovana Reisinger, Rosalie Schweiker und Mickey Yang / Textbeiträge von Bini Adamczak, Loren Britton/Helen Pritchard und Anke Stelling

Die Kunsthalle Osnabrück präsentiert vom 30. August (Eröffnung: 29. August, 16 bis 22 Uhr) bis 14. Februar das Ausstellungs- und Vermittlungsprogramm „Enttäuschung“. Zum Programmauftakt der neuen Direktorinnen Anna Jehle und Juliane Schickedanz rückt das mehrmonatige Programm in sich ergänzenden Einzelpräsentationen der Künstlerinnen und Künstler Aleksandra Domanović, David Polzin, Jovana Reisinger, Rosalie Schweiker und Mickey Yang die Enttäuschung in den Fokus. 

Die Kunsthalle Osnabrück widmet sich mit seinem neuen Ausstellungs- und Vermittlungsprogram den großen Enttäuschungen des Alltags. Enttäuschungen, im privaten oder gesellschaftlichen Kontext, entstehen dort, wo sich Erwartungen nicht mehr einlösen. Die für wahr, sicher oder fortschrittlich gehaltenen Vorstellungen stimmen nicht mehr überein mit sich veränderten Perspektiven oder Überzeugungen. Gerade in politischen, sozialen und historischen Betrachtungen wird dies deutlich, wenn die eigene Enttäuschung zum Spiegel gesellschaftlicher Zusammenhänge wird. 

Im Rahmen des Ausstellungs- und Vermittlungsprogramms wird die vermeintlich individuell wahrgenommene Enttäuschung als ein gesamtgesellschaftliches Abhängigkeitsverhältnis untersucht, das auf mehr oder weniger vereinbarten Annahmen von Gesetzen, Moralvorstellungen, Sprachen oder Begriffen beruht. „Enttäuschung“ hinterfragt mittels unterschiedlicher Auseinandersetzungen Momente wiederkehrender Frustration und struktureller Illusion. In sich ergänzenden Einzelausstellungen verweisen die Arbeiten der eingeladenen Künstlerinnen und Künstler auf die Enttäuschung als veränderten Wahrnehmungsprozess und Ausgangspunkt möglicher Neuanfänge. 

Zum Auftakt von „Enttäuschung“ erscheint eine Publikation mit Beiträgen von Bini Adamczak, Loren Britton/Helen Pritchard und Anke Stelling sowie mit einer Einführung von Anna Jehle und Juliane Schickedanz. 

„Enttäuschung“ ist das erste Ausstellungs- und Vermittlungsprogramm der Kunsthalle Osnabrück unter der neuen Leitung von Anna Jehle und Juliane Schickedanz zusammen mit dem Team der Kunsthalle Osnabrück. 

Anlässlich des Programmauftakts wird die Kunsthalle Osnabrück eine neue grafische Gestaltung erhalten, die von den Leipziger Grafikerinnen und Künstlerinnen Anja Kaiser und Franziska Leiste konzipiert und realisiert wurde. Die neue Website wird durch das Hamburger Designstudio Liebermann Kiepe Reddemann künstlerisch und technisch umgesetzt. Zudem hat sich die Kunsthalle Osnabrück entschieden, ab sofort alle institutionellen Texte ausschließlich in einfacher Sprache (Deutsch und Englisch) zu veröffentlichen. Diese Pressemitteilung sowie die Publikation mit Autorinnen- und Autorentexten ist davon ausgenommen. 

Das Ausstellungs- und Vermittlungsprojekt „Enttäuschung“ wird unterstützt durch das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur, die Stiftung Niedersachsen, die Oldenburgischen Landesbank, den Mondriaan Fund sowie durch die Freunde der Kunsthalle Osnabrück. 

Rosalie Schweiker:  „Crisis Communication“

  1. August 2020 bis 14. Februar 2021

Eröffnung: 29. August 2020, 16 bis 22 Uhr

Mit Beiträgen von Teresa Cisneros, Joon Lynn Goh, Sahra Hersi, Kerri Jefferis, Jean Joseph, Sarah Jury, Sofia Niazi, Rose Nordin, Lisa Rahman, Nicola Singh, Sam Whetton

Rosalie Schweiker versteht Kunst als soziales Ereignis. Im Zuge der Corona-Krise, die maßgeblich die Ausstellungsplanung beeinflusste, hat Rosalie Schweiker entschieden, ihre Sichtbarkeit und ihr Budget mit anderen Kulturproduzentinnen und -produzenten zu teilen. Die Installation mit verschiedenen grafischen Beiträgen, die von den Besucherinnen und Besuchern als Buch zusammengefasst werden können, funktioniert als Geschenk und schafft eine Verbindung zwischen dem öffentlichen und privaten Raum. „Crisis Communication“ ist damit ein modularer Produktionsort, der private Einblicke in die fragilen Lebensrealitäten unter den derzeitigen Bedingungen gewährt und gleichzeitig aktiv dazu auffordert, gesellschaftliche Ungleichheiten nicht als Normalität zu tolerieren. Konflikte und Konversationen sind Teil der Ausstellung, die mit dem Team der Kunsthalle in Vermittlungsangeboten bearbeitet werden. Rosalie Schweiker verwendet kein Curriculum vitae. 

Jovana Reisinger: “Men in Trouble”

  1. August 2020 bis 14. Februar 2021

Eröffnung: 29. August 2020, 16 bis  22 Uhr

Die Künstlerin, Filmemacherin und Schriftstellerin Jovana Reisinger interessiert sich für neue feministische, sozialkritische und humorvolle Erzählformen im Film. In einer funktional vielfältigen Installation für die Kirche der Kunsthalle Osnabrück werden einerseits ältere Filme von ihr zu sehen sein und anderseits wird die Kirche selbst zum Film-Set ihrer neuen Video-Serie „Men in Trouble“. In mehreren Live-Drehs werden die sechs Episoden als tragisch-komödiantisches Talkshow-Format und in öffentlichen Veranstaltungen vor Publikum aufgezeichnet. Dabei geht es um wieder erstarkende stereotype Vorstellungen von Männlichkeit, Weiblichkeit und vor allem um Fragen nach Gleichberechtigung, Schönheitsstandards, Macht und Ausgrenzung. Neben der Schauspielerin Julia Riedler wird die Produktion mit Darstellerinnen und Darstellern des Spielclubs des Theaters Osnabrück realisiert. Anschließend werden die neu produzierten Filme in der Ausstellung sowie im Cinema-Arthouse in Osnabrück zu sehen sein.

Jovana Reisinger (*1989 in München) lebt und arbeitet in München. Nach ihrem Abschluss in Kommunikationsdesign an der Hochschule für angewandte Wissenschaften München studierte sie Drehbuch an der Hochschule für Fernsehen und Film München und wird zudem ein Diplom in Dokumentarfilmregie erhalten. Ihr Debütroman „Still Halten“ wurde 2017 im Verbrecher Verlag veröffentlicht, der 2018 mit dem Bayern 2-Wortspiele-Preis und einem Aufenthaltsstipendium im Literarischen Kolloquium Berlin sowie 2019 mit einem Aufenthaltsstipendium des Goethe Institut China ausgezeichnet wurde. Sie drehte diverse Kurzfilme, die in Ausstellungen und Festivals unter anderem im Goethe Institut Paris (2020), im yi: project space Beijing (2019), im KV – Verein für zeitgenössische Kunst Leipzig (2019), im Kunstverein München (2018) oder bei den Kurzfilmtagen Oberhausen (2017, 2019) gezeigt wurden. Für den Kurzfilm „pretty boyz don’t die“ bekam sie den ZONTA-Preis der Festspielleitung der Oberhausener Kurzfilmtage (2017) und für „pretty girls don’t lie“ den STARTER Filmpreis der Stadt München (2018). 2021 erscheint ihr zweiter Roman, ebenfalls im Verbrecher Verlag. 

David Polzin: „Ossi Osnabrück“

  1. August bis 18. Oktober 2020

Eröffnung: 29. August 2020, 16 bis 22 Uhr

David Polzin setzt sich in seinen Installationen und Skulpturen mit der kollektiven Erinnerung und medialen Darstellung der ehemaligen DDR und Nachwendezeit auseinander und befragt aus Perspektive der zeitgenössischen Kunst, welche Enttäuschungen mit der Wiedervereinigung verbunden sind. Ausgehend von einer intensiven Auseinandersetzung mit der ostdeutschen sowie westdeutschen Architektur- und Designgeschichte erzählt David Polzin anhand bildhauerisch bearbeiteter Stühle, die produziert für die Massenherstellung in Ost und West zugleich auf Entwürfe historischer Designklassiker beruhen, wie Geschichtsschreibung und die Wahrnehmung von Geschichte durch vermarktete Formsprache und Gestaltungskonzepte unserer Wohnräume geprägt werden. Mittels einer museumsähnlichen Inszenierung verweist er auf humorvolle Weise auf die parallele Prägung zweier politischer Systeme, die gleichermaßen auf unterschiedlichen, sich teils in nichts nachstehenden Machtstrukturen basierten.

David Polzin (*1982 in Henningsdorf) lebt und arbeitet in Berlin. Er studierte Bildhauerei an der Kunsthochschule Berlin Weißensee bei Eran Schaerf und Karin Sander. Zuletzt erhielt er 2016 das Kulturaustausch-Stipendium des Berliner Senats für Los Angeles/Pasadena, daran geknüpft war eine Gastprofessur am Art Center College of Design in Pasadena. 2008 gründete er zusammen mit Wilhelm Klotzek das Kollektiv Klozin, mit dem sie seither regelmäßig ausstellen. Polzins Arbeiten wurden bereits vielfach in renommierten Institutionen gezeigt, wie unter anderem: dem Mitte Museum Berlin (2020), dem Museum für bildenden Künste Leipzig (2019), dem Neuen Berliner Kunstverein (2018), dem LAMOA, Los Angeles (2017), dem Heidelberger Kunstverein (2016) und dem MMW Frankfurt (2013).  

Mickey Yang: „Upaya“

  1. Oktober bis 6. Dezember 2020

Eröffnung: 24. Oktober 2020, 18 Uhr

Die Künstlerin Mickey Yang beschäftigt sich in ihren Installationen, Objekten und Videos mit unserer individuellen Wahrnehmung von Gegenständen, Natur oder Ritualen, die immer von sozialen, medialen sowie kulturellen Einflüssen bestimmt werden und sich auch in unterschiedlichen Kontexten widersprechen. „Upaya“ beschreibt den Weg der Erkenntnis im Buddhismus und umfasst damit den Wandel und die Prägung von Wahrnehmung auf Grundlage von spirituellen und kulturellen Einflüssen gleichermaßen. Diese Momente der Verschiebung und Fehlinterpretation von Inhalten und die damit verbundene Enttäuschung sind Kern ihrer Ausstellung, die unsere unterschiedlichen Sinne als Teil menschlicher Kommunikation miteinander verbindet. Sich ergänzende Mittel der Verständigung wie Sprache, Codes, Hören oder Tasten werden auf poetische und überraschende Weise miteinander verbunden, sodass die Zuversicht gegenüber unserer Wahrnehmung auf den Prüfstand gestellt wird.

Mickey Yang (*1988 in Eindhoven) lebt und arbeitet in Eindhoven. Sie studierte bildende Kunst an der Royal Academy The Hague und der ArtEZ University of the Arts Arnhem. 2017 und 2018 war sie Stipendiatin am Beeldenstorm/Daglicht, 2019 bei De Fabriek und 2020/2021 bei der Jan van Eyck Academy (alle Niederlande). Mickey Yang hat ihre Arbeiten vielfach in Einzel- und Gruppenausstellungen gezeigt, unter anderem: bei P////AKT, Amsterdam, auf der Art Rotterdam (beide 2019) und im Kunstvereniging Diepenheim (2017). Die Kunsthalle Osnabrück richtet der Künstlerin ihre erste Einzelausstellung in Deutschland aus. 

Aleksandra Domanović: “(Untitled) In My Feelings”

  1. Dezember 2020 bis 14. Februar 2021

Eröffnung: 12. Dezember 2020, 18 Uhr

Aleksandra Domanović verbindet in ihren Arbeiten gegenwärtige und historische Betrachtungsweisen der Technikrezeption. Damit liefern ihre Videos, Skulpturen, Installationen und Druckgrafiken die Chance, einen fortwährenden Fortschrittsglauben in verschiedenen Abschnitten der Geschichte gegeneinander abzugleichen. Die ethische Verantwortlichkeit von Wissenschaft sowie das systematische Vergessen von Frauenbiografien in der Technikgeschichte stehen dabei gleichermaßen zur Diskussion wie die Angst und Enttäuschung, die an immer abstrakteren Disziplinen wie Automatisierung, Robotik oder Gentechnologie geknüpft sind. In Osnabrück beschäftigt sie sich mit verschiedenen, teils genmanipulierenden Technologien, die bei der Züchtung von Tieren und Pflanzen Anwendung finden oder zukünftig wirtschaftlich genutzt werden sollen. In einer künstlerischen Übersetzung in Form von Skulpturen und einer neu produzierten Video-Arbeit verweist ihre Praxis auf die intensive aber auch widersprüchliche Beziehung zwischen Mensch und Natur seit tausenden von Jahren.

Aleksandra Domanović (*1981 in Novi Sad, Serbien/ehemals Jugoslawien) lebt und arbeitet in Berlin. Sie studierte sowohl Architektur an der University of Ljublijana in Slowenien als auch Bildende Kunst an der Universität für angewandte Kunst in Wien. Für ihre Arbeiten gewann sie zahlreiche Preise, unter anderem den ars viva Award 2014/15 des Kulturkreises der deutschen Wirtschaft oder jüngst den Arnaldo Pomodoro Sculpture Prize der Stadt Mailand (2019). Domanovićs Arbeiten werden international in Gruppen- und auch Einzelausstellungen gezeigt, vornehmlich in renommierten Institutionen wie unter anderem: dem Kunsthaus Hamburg, dem New Museum in New York, dem Center for Contemporary Art, Tel Aviv (alle 2019), dem HMKV Dortmund, dem MOCA Cleveland (beides 2018) oder dem MAK Museum für angewandte Kunst Wien und der Bundeskunsthalle Bonn (beide 2017).

Pressekontakt: Heiko Mitlewski | Telefon 0541 / 323-3217 | mitlewski@osnabrueck.de


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©  Aleksandra Domanović
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Aleksandra Domanović, From yu to me, Filmstill, 2013-14


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©  Courtesy of the artist and Tanya Leighton, Berlin.
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Aleksandra Domanović, Kalbträgerin, 2017


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©  Courtesy of the artist and Tanya Leighton, Berlin
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Aleksandra Domanović, Kalbträgerin, 2017


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©  Bart Eysink Smeets, © Mickey Yang.
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Mickey Yang


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©  Foto: Gijs_Leijdekkers, © Mickey Yang.
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It is ok not to be complete, 2017


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©  Rosalie Schweiker
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Rosalie Schweiker and Company Drinks, A team, B team, Podcast für Artlicks Festival, 2019


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©  Rosalie Schweiker
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Rosalie Schweiker, Hände unter den Füssen, 2020


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©  Weston Lyon, © David Polzin.
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David Polzin, aus der Serie "Möbel aus der Postimperialen Phase Deutschlands“, 2013-2019


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©  David Polzin
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David Polzin, Alusessel 1953, Aluminium, Stoff, Holzplatte, 2019


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©  Foto: Weston Lyon, © David Polzin
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David Polzin, Amerikanischer Monostuhl


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©  Jovana Reisinger
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Jovana Reisinger, beauty is life, Filmstill, 2020, Setfotografin: Jenny Bräuer


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©  Jovana Reisinger
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Jovana Reisinger, Pretty girls don’t lie, Filmstill, 2017