Meldungsdatum: 24.06.2022

Im Angesicht: Elfriede Lohse-Wächtler und Felix Nussbaum

Ausstellung im Felix-Nussbaum-Haus des Museumsquartiers Osnabrück

Mit der gemeinsamen Präsentation von Elfriede Lohse-Wächtler und Felix Nussbaum werden vom 16. Juni bis 16. Oktober im Felix-Nussbaum-Haus des Museumsquartiers Osnabrück zwei bedeutende künstlerische Positionen der ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts gegenübergestellt. Beide Werke können dabei nicht losgelöst von den Biografien betrachtet werden. Elfriede Lohse-Wächtler und Felix Nussbaum wurden als „krank“ bzw. „jüdisch“ stigmatisiert, als „unwertes Leben“ verfolgt, eingesperrt und letztlich Opfer der Rassehygiene-Ideologie des NS-Staatsterrors.

Elfriede Lohse-Wächtler (1899-1940) wurde in der Kunstgewerbeschule in Dresden unterrichtet und bewegte sich dort in den gleichen Kreisen wie Otto Dix, Otto Griebel und Conrad Felixmüller. 1925 folgte sie ihrem Mann nach Hamburg. Durch private Umstände in seelische Not geraten, waren Aufenthalte in der Psychiatrie die Folge. 1940 wurde sie im Rahmen des sogenannten Euthanasieprogramms der Nationalsozialisten ermordet.

Elfriede Lohse-Wächtler hielt Menschen am Rand der Gesellschaft in ihren Bildern fest. Sie tauchte in das Hamburger Rotlichtmilieu ein, malte sich selbst bereits 1930 mit nacktem Oberkörper, als Selbstakt im Beisein eines Partners, stellte sich Zigarette und Pfeife rauchend dar – alles bis dahin traditionell männlich besetzte Themen. Die Porträts, die sie während ihrer beiden Aufenthalte in einer psychiatrischen Klinik von Mitpatientinnen und -patienten und vom Klinikpersonal zeichnete, sind einfühlsam und vorurteilsfrei. Statt zu typisieren, sah sie die Menschen in ihrer Einzigartigkeit.

Lohse-Wächtlers eindrucksvolles Werk wird seit Ende der 1990er Jahren verstärkt wiederentdeckt. Ihre Arbeiten sind in zahlreichen Publikationen, Ausstellungen sowie in Sammlungen großer Museen vertreten.

Auch Felix Nussbaum (1904-1944) hat die Ereignisse der Zeit als Teil seiner eigenen Situation reflektiert, in die er als Jude durch die rassistische Ideologie des nationalsozialistischen Deutschlands hineingedrängt wurde. Er hat als Betroffener den Holocaust der Juden in Europa künstlerisch dokumentiert. Für ihn wurde in seiner beklemmenden, aussichtslosen Situation die Malerei zur einer Art Widerstand. Sie bewahrte seine menschliche Würde und gab ihm lange Zeit die Kraft zum Überleben.

Nussbaum und Lohse-Wächtler waren jedoch nicht hilflos, nicht ausschließlich Opfer. Sie waren aktive Gestalter und haben bedeutende Beiträge zur Kunst des 20. Jahrhunderts geleistet. Als aufmerksame Beobachtende ihrer Zeit wiesen sie auf die gesellschaftspolitischen Missstände und die daraus für sie persönlich resultierenden Zustände hin. Sie setzten sich mit wirtschaftlicher Not, Angst, der Unsicherheit ihrer Generation und der eigenen Rolle als Kunstschaffende auseinander.

Die Themen Ausgrenzung, Stigmatisierung, Flucht, Verlust der Heimat, Exil und Unterdrückung, die Nussbaum und Lohse-Wächtler aus ihrer persönlichen Lebenswelt heraus bearbeitet haben, sind aktueller denn je. Ihre Werke in Zusammenklang mit der Architektur des Felix-Nussbaum-Hauses von Daniel Libeskind verdeutlichen dies eindrücklich.

Für die Ausstellung werden rund 45 Leihgaben von Lohse-Wächtler aus Privatbesitz (u.a. von Mitgliedern des Förderkreises Elfriede Lohse-Wächtler e.V., Hamburg), aus dem Frankfurter Städel Museum, dem Museum für Kunst und Kulturgeschichte Schloss Gottorf in Schleswig, der Gedenkstätte Pirna-Sonnenstein und der Sammlung Prinzhorn in Heidelberg in die bestehende Präsentation von Werken Felix Nussbaums integriert. Von Nussbaum werden einzelne, länger nicht gezeigte Arbeiten aus dem Depot geholt.

 

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Telefon 0541 323 2207, -2237
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Pressekontakt: Claudia Drecksträter | Öffentlichkeitsarbeit Museumquartier Osnabrück | Lotter Str. 1 | 49078 Osnabrück | Telefon 0541 323-4581 | E-Mail: dreckstraeter@osnabrueck.de


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Elfriede Lohse-Wächtler, Die Loschwitzer Brücke (Blaues Wunder), 1931

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Elfriede Lohse-Wächtler, Die Loschwitzer Brücke (Blaues Wunder), 1931

Elfriede Lohse-Wächtler, Die Loschwitzer Brücke (Blaues Wunder), 1931, Pastellkreiden, Förderkreis Elfriede Lohse-Wächtler e.V. Hamburg


Elfriede Lohse-Wächtler, Selbstporträt mit Hut, 1930

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Elfriede Lohse-Wächtler, Selbstporträt mit Hut, 1930

Elfriede Lohse-Wächtler, Selbstporträt mit Hut, 1930, Pastellkreiden, Förderkreis Elfriede Lohse-Wächtler e.V. Hamburg


Elfriede Lohse-Wächtler, Vor dem Hauptgericht, um 1930

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Elfriede Lohse-Wächtler, Vor dem Hauptgericht, um 1930

Elfriede Lohse-Wächtler, Vor dem Hauptgericht, um 1930, Tusche über Bleistift, Privatbesitz Süddeutschland


Elfriede Lohse-Wächtler, Der Vollzieher, Pastell, 1930

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Elfriede Lohse-Wächtler, Der Vollzieher, Pastell, 1930

Elfriede Lohse-Wächtler, Der Vollzieher, Pastell, 1930, Förderkreis Elfriede Lohse-Wächtler e.V. Hamburg


Elfriede Lohse-Wächtler, Die Zigarettenpause, 1931

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Elfriede Lohse-Wächtler, Die Zigarettenpause, 1931

Elfriede Lohse-Wächtler, Die Zigarettenpause, 1931, Förderkreis Elfriede Lohse-Wächtler e.V. Hamburg


Elfriede Lohse-Wächtler, Lissy, 1931

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Elfriede Lohse-Wächtler, Lissy, 1931

Elfriede Lohse-Wächtler, Lissy, 1931, Aquarell über Bleistift, Privatsammlung Städel Museum Frankfurt


Felix Nussbaum, Selbstbildnis als Grimasse 2, 1936

©  Christian Grovermann
Felix Nussbaum, Selbstbildnis als Grimasse 2, 1936

Felix Nussbaum, Selbstbildnis als Grimasse (2), 1936, Gouache und Bleistift auf Papier, Felix-Nussbaum-Haus im Museumsquartier Osnabrück, Leihgabe aus Privatbesitz


Felix Nussbaum, Selbstbildnis mit Judenpass, um 1943, Öl auf Leinwand

©  Christian Grovermann
Felix Nussbaum, Selbstbildnis mit Judenpass, um 1943, Öl auf Leinwand

Felix-Nussbaum-Haus im Museumsquartier Osnabrück, Leihgabe der Niedersächsischen Sparkassenstiftung