Meldungsdatum: 04.09.2024
Am Hafenbecken wurde von 1921 bis 1924 eifrig gebaut, damals noch auf Großauheimer Gemarkung. Das Wirtschaftsprojekt, das bereits 1891 auf den Weg gebracht wurde, war zugleich ein riesiges Arbeitsbeschaffungsprogramm zur Linderung hoher Erwerbslosigkeit nach dem Ersten Weltkrieg. Von der Innenstadt kommend fuhr und fährt man noch heute auf ein - jetzt von Bäumen verdecktes - mächtiges Portal als Eingang des Hafengeländes zu - wegen der Bundesstraße nur nicht mehr hindurch.
Rechts und links davon entstanden höchst moderne und arbeitsstättennahe Wohnungen für die Beschäftigten der Hafenbetriebe. Der Komplex steht im Eigentum der Baugesellschaft Hanau, die ihn in den vergangenen Jahren sukzessive saniert und im Rahmen des Förderprogramms „Sozialer Zusammenhalt“ (ehemals „Soziale Stadt“) zusammen mit Initiativen und den Bewohnerinnen und Bewohnern auch zu einem Kunst- und Kulturhotspot mit Ateliers und kleiner Galerie entwickelt hat.
Kunst vor Ort und am Bau wurde auch vor 100 Jahren großgeschrieben: Die recht martialisch dreinblickenden Kolossalfiguren über der alten Einfahrt hat der am 24. April 1876 in Hanau geborene Bildhauer August Bischoff geschaffen. Sein Vater Gustav war Graveur und Stempelschneider. Bischoff studierte von 1890 bis 1896 bei Max Wiese an der Königlichen Zeichenakademie und 1901 bis 1904 in der Meisterklasse von Friedrich Hausmann an der Städelschule in Frankfurt am Main. Ab 1897 unterhielt er eigene Ateliers in Frankfurt und Hanau, wo er unter anderem Vorlagen für die Hanauer Edelmetallindustrie fertigte. Das bescherte ihm das nötige Geld für Studienreisen nach Dresden, Berlin, Paris oder Rom.
Später wurde er vor allem durch Großplastiken und Bronzestatuen, aber auch Grab- und Ehrenmäler bekannt - so durch die beiden Männer am Hafentor, die Handel und Arbeit als „Denkmal der Arbeit“ symbolisieren. Da sich der eine auf große Zahnräder stützt, werden sie im Volksmund „Käs'-Roller“ genannt. Der Begriff hat sich über Generationen weitergetragen und zeugt von einer gewissen Sympathie: liebgewonnene Gebäude oder Kunstwerke erhalten Kosenamen, denkt man an "Schwangere Auster" für die Kongresshalle Berlin oder den „Langen Eugen“ für das Abgeordnetenhochhaus in Bonn.
Die Beton-Arbeiter werden ab und an als NS-Kunst bezeichnet. Da bereits 1924 entstanden, ist dies nicht richtig. Allerdings wurde Bischoffs Kunst ab 1933 vom NS-Regime goutiert und er selbst hat sich dem Regime angedient beziehungsweise sich nicht eindeutig von ihm distanziert. So nahm er 1939 bis 1941 und 1943 mit fünf Werken an der Großen Deutschen Kunstausstellung in München teil.
Weitere Arbeiten von ihm befinden sich unter anderem in Frankfurt am Main: Porträtreliefs von Heinrich Hoffmann, Engelbert Humperdinck und Adolf Stoltze, ein Enten-Brunnen in Hausen, der Dr. Bockenheimer-Brunnen auf dem Oppenheimer-Platz in Sachsenhausen (der Bronzeguss von 1932 wurde 1942 eingeschmolzen und 1949 durch einen Neuguss aus Kupfer ersetzt), das Grabmal Oppermanns auf dem Hauptfriedhof, die Wandplastik „Wiederaufbau“ im Landesarbeitsamt. Für Hanau sind zu nennen: Bronzebüsten von Georg Wolff und Hugo Birkner im Historischen Museum Hanau Schloss Philippsruhe (Depot), das Ehrenmal für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs auf dem Hauptfriedhof und die bronzene Tiergruppe „Drei Pinguine“. Bischoff hatte die Vögel als letzte Auftragsarbeit der Stadt Hanau anlässlich seines 85. Geburtstages 1961 für den Vorplatz der Pedro-Jung-Schule in der Gärtnerstraße geschaffen. Nach dem Abriss des Gebäudes (heute steht hier das Gemeindezentrum der Wallonisch-Niederländischen Kirche und das Kinopolis) wurden die Pelikane 2012 an die Elisabeth-Schmitz-Schule nach Wolfgang versetzt und dort prompt von Metalldieben gestohlen. Das Gipsmodell im Depot der Städtischen Museen ist glücklicherweise erhalten.
August Bischoff starb am 7. September 1965 in Frankfurt am Main.
Hintergrund:
In der Corona-Pandemie fing es an: als die Museen geschlossen waren, überlegte sich Martin Hoppe, Fachbereichsleiter Kultur, Stadtidentität und Internationale Beziehungen wie „Hanauer Pretiosen“ an die Menschen vermittelt werden können. So begann er im Netz auf www.museen-hanau.de eine Reihe, die seitdem jeden Montag eine Hanauer Besonderheit in Text und Bild vorstellt. Inzwischen sind mehr als vier Jahre vergangen und das 231. „Objekt der Woche“ erblickte die virtuelle Welt.
Die virtuelle Sammlung findet sich auf museen-hanau.de/digital/objekt-der-woche
Pressekontakt: Ute Wolf, E-Mail: oeffentlichkeitsarbeit@hanau.de
Kunst vor Ort und am Bau wurde auch vor 100 Jahren großgeschrieben: Die recht martialisch dreinblickenden Kolossalfiguren über der alten Einfahrt hat der am 24. April 1876 in Hanau geborene Bildhauer August Bischoff geschaffen. Da sich der eine auf große Zahnräder stützt, werden sie im Volksmund „Käs'-Roller“ genannt.
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