Meldungsdatum: 23.05.2025

Bunbury zeigt den „Ernst des Lebens“

Brüder Grimm Festspiele Hanau starten Reihe „Theater.Klassiker“ mit Oscar Wilde

Wiederum vollbesetzt präsentierte sich am vergangenen Samstag das Hanauer Amphitheater zur zweiten Premiere der diesjährigen Brüder Grimm Festspiele.

Auf dem Programm stand „Bunbury“, eine Komödie aus der Feder des englischen Schriftstellers Oscar Wilde und damit die erste Inszenierung im Rahmen der Reihe „Theater.Klassiker“. Sie löst das Format „Grimms Zeitgenossen“ ab und gibt den Festspielen noch vielfältigere Möglichkeiten, Theaterstücke anderer Autoren und Epochen für die Hanauer Bühne zu adaptieren. Intendant Frank-Lorenz Engel selbst hat sich des viktorianischen Werkes angenommen und inszenierte eine temporeiche, unterhaltsame Komödie mit Wortwitz und so manchem musikalischen Effekt. Das Publikum dankte es ihm und dem Ensemble mit viel Zwischenbeifall und begeistertem Schlussapplaus mit stehenden Ovationen.

 

Oscar Wildes Komödie „Bunbury – Ernst sein ist alles“ (im Original: Bunbury – The importance of Being Earnest“) mag auf den ersten Blick wirken wie ein amüsantes Verwirrspiel. Das aber ist zu kurz gesprungen: Wilde war ein scharfer Beobachter der viktorianischen Gesellschaft und ihrer Doppelmoral. In seinen Werken verpackte er seine Kritik an eben dieser Gesellschaft in pointierten Dialogen und schaffte es so, den Zuschauern elegant und humorvoll einen Spiegel vorzuhalten. „Bunbury“ gilt als das berühmteste Stück des scharfzüngigen und exzentrischen Wilde und wurde 1895 uraufgeführt. Der Titel ist im Original ein feinsinniges Wortspiel: Es geht nicht nur um den Vornamen Earnest, vielmehr bedeutet „To be earnest“ auf Englisch „aufrichtig sein“ – das zentrale Thema dieser Komödie.

 

In dem Bühnenstück dreht sich alles um den Dandy Algernon Moncrieff (Malte Flierenbaum) und den Landadeligen Jack Worthing (Patrick Dollmann) – beide haben, ohne es zunächst voneinander zu wissen, ein Geheimnis. Jack entflieht dem Landleben, indem er behauptet, seinem ständig in Schwierigkeiten steckenden Bruder Ernst wiederholt aus der Patsche helfen zu müssen und nennt sich in der Stadt selbst „Ernst“ („In der Stadt amüsiert man sich selbst, auf dem Land andere Leute“). Algernon wiederum greift auf den fiktiven „Bunbury“ zurück, einen sehr kranken Freund, wenn es gilt, aus gesellschaftlichen oder familiären Verpflichtungen auszubüxen. Entzückt entdeckt er, dass ausgerechnet sein Freund Jack ebenfalls „bunburysiert“. Dass dieser allerdings jetzt angereist ist, um seiner Angebeteten einen Antrag zu machen, kann Algernon nun wirklich nicht nachvollziehen: „Ich dachte, Du bist zum Vergnügen gekommen?“ Eine Ehe zu dritt sei „kurzweilig“, eine Ehe zu zweit hingegen „langweilig“. In dieser ersten Szene in Algernons Salon (Bühnenbild: Tilmann von Blomberg) erleben die Zuschauer einen verbalen Schlagabtausch voller amüsanter Anspielungen auf die gesellschaftlichen Konventionen. Stoisch lässt Hausdiener Lane (Detlev Nyga) die Allüren seines Arbeitgebers über sich ergehen, übernimmt die Verantwortung für fehlende Gurkensandwiches, die die beiden gegessen haben und gönnt sich in aller Stille einfach mal ein Gläschen Sherry. Eine vermeintliche Nebenrolle, doch wer genau hinhört, bemerkt auch hier die feine Gesellschaftskritik, die Wilde der Dienerfigur auf den Leib geschrieben hat.

 

Die Gäste erscheinen: Algernons Tante Lady Bracknell (Ulla Wagener) und ihre Tochter Gwendolyn Fairfax (Katja Straub). Lady Bracknell ist dazu angetan, jeden einzuschüchtern, der ihr vor die Augen tritt: Eiserne Selbstbeherrschung, die Arroganz der englischen Oberschicht und eine scharfe Zunge machen sie zu einer furchteinflößenden Erscheinung – das Hanauer Publikum ist begeistert. Jack bekommt Gelegenheit, Gwendolyn den Antrag zu machen, den sie mit Freude annimmt, steht dann aber vor einem ernsthaften Problem: Sie kennt ihn nur als „Ernst“ und besteht darauf, jemanden zu heiraten, der diesen Namen trägt. Er sei himmlisch, melodisch, erzeuge Schwingungen. Ein Werbeblock für seinen eigentlichen Namen bleibt erfolglos, doch darüber kann sich Jack erstmal keine Gedanken machen, denn nun steht eine noch viel größere Hürde vor ihm: Die Überprüfung durch die Schwiegermutter in spe. Sie nimmt ihn, wie erwartet, erbarmungslos ins Kreuzverhör – und überrascht alle mit dem Bekenntnis: „Ich war zügellos!“ Licht aus, Spot an, Musik ab: Es ertönt „Don’t stop me now“ von Queen, und Lady Bracknell zeigt, was sich hinter der steifen Fassade verbirgt, singt und tanzt völlig enthemmt. Danach, als wäre nichts gewesen, geht die „Ermittlung“ weiter. Jack Worthings Familiengeschichte findet nicht ihre Billigung: Er wurde als Baby in einer Reisetasche gefunden und kam durch eine Verwechslung an der Gepäckaufbewahrung in der Victoria Station zu seinem späteren Ziehvater. Lady Bracknell bringt es auf den Punkt: „Sie glauben doch wohl nicht, dass es uns einfallen würde, unserer einzigen Tochter zu erlauben, in eine Gepäckaufbewahrung einzuheiraten.“ Jack solle sich schleunigst um mindestens einen Elternteil („Egal welchen Geschlechts“) bemühen, sonst könne er die Heirat mit Gwendolyn vergessen.

 

Der zweite Teil von „Bunbury“ spielt auf dem Land – der mondäne Stadtsalon wird ersetzt durch große Kunstrasenplatten mit Blumen und eine Art Fenster mit Fernblick auf eine grüne Landschaft. Passend dazu verändern sich auch die mit viel Liebe zum Detail gefertigten Kostüme (Anke Küper und Kerstin Laackmann): Gwendolyn beispielsweise trägt hier ein rosafarbenes Kleid, dessen Rock mit Blüten bestickt ist und einen passenden Hut. Algernon tauscht den karierten Stadtanzug, dessen blaue Paspelierungen genau zu seinen Schuhen passen, gegen einen weißen Dreiteiler mit schwarzen Streifen – ein Dandy par excellence. Er erscheint als ungebetener Gast auf dem Landsitz seines Freundes Jack Worthing und lernt hier dessen Mündel, die 18 Jahre alte Cecily (Larissa Grosenick), kennen und lieben. Das Problem: Er gibt sich als Jacks Bruder Ernst aus. Das Ganze spitzt sich zu, als Jack vor Gouvernante Miss Prim (Barbara Seegers) und dem örtlichen Pfarrer (Wolff von Lindenau) in Trauerkleidung erscheint und seinen vermeintlichen Bruder für verstorben erklärt, denn Cecily präsentiert freudestrahlend den lebenden „Ernst“. Jack ist fassungslos und ziemlich sauer auf seinen Kumpel Algernon. Unbeeindruckt bleibt dieser als Besucher auf dem Landsitz und macht nun seinerseits Cecily einen Heiratsantrag. Die nächste Komplikation: Auch das romantische junge Mädchen besteht auf dem Namen „Ernst“ bei ihrem Zukünftigen. Algernon ist in der Klemme. In der Zwischenzeit ist ein weiterer unangekündigter Gast erschienen: Gwendolyn. Sie und Cecily beäugen sich misstrauisch, sehen sich als Konkurrentinnen. Das Ganze eskaliert, als beide feststellen, mit einem „Ernst Worthing“ verlobt zu sein – doch die erbitterten Gegnerinnen solidarisieren sich spontan, nachdem die wirklichen Namen ihrer Verlobten bekannt werden. Mit Algernon und Jack wollen sie nicht verheiratet sein. Die nächste musikalische Überraschung: Zu den Klängen von Suzie Quatros „Can the Can“ rocken die Mädels die Bühne, und die Premierenzuschauer rockten mit.

 

Die Geschichte mit all ihren Lügengespinsten nähert sich ihrem Höhepunkt – Lady Bracknell tritt auf. Als sie von den Verlobungsplänen ihres Neffen und von Cecilys nicht unerheblichen finanziellen Mitteln erfährt, stimmt sie der Verbindung zu („Algernon hat nichts, aber sieht nach allem aus“). Jack nutzt die Gelegenheit, auf die Lady Druck auszuüben, indem er seinem noch minderjährigen Mündel Cecily die Erlaubnis zur Heirat verweigert, wenn er Gwendolyn nicht ehelichen darf. Lady Bracknell ist in der Zwickmühle – doch unerwartete Rettung naht.

 

Mehr sei an dieser Stelle über die Handlung nicht verraten. Nur so viel: Das Finale hat es wiederum musikalisch in sich und nichts mit viktorianischer Beschaulichkeit zu tun. Nach dem letzten Ton hielt es am Samstag niemanden mehr auf seinem Sitz. Langanhaltender frenetischer Beifall, „Bravo“-Rufe und stehende Ovationen belohnten das „bunburysierende“ Ensemble.

 

Alle Informationen zur 41. Spielzeit der Brüder Grimm Festspiele Hanau (bis 27. Juli im Amphitheater Hanau): Brüder Grimm Festspiele - 41. Spielzeit ・ 09.05 - 27.07.2025.

Pressekontakt: Prof. Dr. Jeroen Coppens, Telefon 06181-295-06721


Zu dieser Meldung können wir Ihnen folgende Medien anbieten:

Hanau, Brüder Grimm Festspiele, 2. Premiere, 1

©  Brüder Grimm Festspiele / Hendrik Nix
Hanau, Brüder Grimm Festspiele, 2. Premiere, 1

Algernon und Jack teilen ein Geheimnis.


Hanau, Brüder Grimm Festspiele, 2. Premiere, 2

©  Brüder Grimm Festspiele / Hendrik Nix
Hanau, Brüder Grimm Festspiele, 2. Premiere, 2

Lady Bracknell nimmt Jack ins Kreuzverhör.


Hanau, Brüder Grimm Festspiele, 2. Premiere, 3

©  Brüder Grimm Festspiele / Hendrik Nix
Hanau, Brüder Grimm Festspiele, 2. Premiere, 3

Die Stunde der Wahrheit.


Hanau, Brüder Grimm Festspiele, 2. Premiere, 4

©  Brüder Grimm Festspiele / Hendrik Nix
Hanau, Brüder Grimm Festspiele, 2. Premiere, 4

Eine Chronik soll Aufschluss geben.


Hanau, Brüder Grimm Festspiele, 2. Premiere, 5

©  Brüder Grimm Festspiele / Hendrik Nix
Hanau, Brüder Grimm Festspiele, 2. Premiere, 5

Das Ensemble von „Bunbury“.


Hanau, Brüder Grimm Festspiele, 2. Premiere, 6

©  Brüder Grimm Festspiele / Hendrik Nix
Hanau, Brüder Grimm Festspiele, 2. Premiere, 6

Gwendolyn ist aufs Land gereist, um ihren „Ernst“ zu besuchen.


Hanau, Brüder Grimm Festspiele, 2. Premiere, 7

©  Brüder Grimm Festspiele / Hendrik Nix
Hanau, Brüder Grimm Festspiele, 2. Premiere, 7

Cecily und ihr vermeintlicher „Ernst“.