Meldungsdatum: 14.07.2025
Ingrid Rudat gehörte neun Wahlperioden und damit 45 Jahre dem Gremium an, Geesken Wörmann wurde nach sechs Wahlperioden verabschiedet. Auch Irmgard Soldat (82, Werl, CDU) gestaltete sechs Wahlperioden lang die Kommunalpolitik mit und zählt somit zu den drei weiblichen Kreistagsabgeordneten mit der längsten Amtszeit. Zum Rückblick auf die parlamentarische Arbeit dieser Frauen der ersten Stunde hat jetzt Landrätin Eva Irrgang anlässlich des Kreisjubiläums ins Kreishaus eingeladen. Aus gesundheitlichen Gründen nicht teilnehmen konnte Geesken Wörmann. Ingrid Rudat und Irmgard Soldat tauschten sich mit der Landrätin, die bei der Kommunalwahl im Herbst nicht erneut antreten wird, über 50 Jahre Frauen in der Politik des neuen Kreises Soest aus.
Frage: Der Anteil der Frauen im Kreistag ist von knapp 5 Prozent vor 50 Jahren auf 32 Prozent heute gestiegen – mit Ihnen an der Spitze, Frau Irrgang. Ist das ein Erfolg?
Eva Irrgang: Als ich vor gut 30 Jahren in den Kreistag kam, hatte ich gedacht, dass wir inzwischen weiter wären. Ich hoffe ja, dass es nach der Kommunalwahl im Herbst wenigstens noch eine Landrätin in NRW gibt. Denn inzwischen habe ich das Gefühl, dass wieder weniger Frauen in die Politik gehen. Wenn in jungen Familien beide Partner Vollzeit arbeiten, ist die Zeit knapp.
Ingrid Rudat: Und der Terminkalender ist voll, wenn man politisch aktiv ist. Ich habe mich 45 Jahre lang nie spontan verabredet. Immer guckst du in den Kalender – kannst du, kannst du nicht?
Irmgard Soldat: Häufig waren wir ja drei- bis viermal die Woche in Soest oder wo auch immer. Das ist schon anstrengend. Und das ist wahrscheinlich der Grund, dass also viele Frauen sagen: ach nee, lieber nicht. Als stellvertretende Landrätin kamen für mich noch viele Repräsentationstermine abends und am Wochenende hinzu. Wenn mein Mann das nicht unterstützt hätte, hätte ich das in dieser Form auch gar nicht machen können.
Ingrid Rudat: Mich hat mein Vater sehr unterstützt. Und später, als ich Geschäftsführerin unseres Autohauses mit immerhin 50 Mitarbeitern war, konnte ich mir die Zeit selbst einteilen. Die politischen Termine habe ich wahrgenommen, musste dann aber samstags und sonntags ins Büro.
Frage: Dass Ihr politisches Engagement viel Zeit in Anspruch nehmen, ja vielleicht sogar das eine oder andere Opfer im privaten Bereich mit sich bringen würde, war Ihnen von Anfang an klar. Was war Ihre Motivation, es trotzdem zu machen?
Irmgard Soldat: Für mich ist damit eine konkrete Situation verbunden: Wir sind damals aus Bochum nach Werl-Holtum gezogen. Es war abends stockdunkel, weil es kaum Laternen gab. Und nur einmal am Tag fuhr der Bus von Holtum nach Werl. Ich hatte ein kleines Kind, meine Tochter war gerade zwei Jahre alt damals, und musste zum Kinderarzt. Mein Mann arbeitete in Dortmund, sodass es schwierig war, mal eben so zum Kinderarzt zu können. Als ich irgendwann die Nase voll hatte und sagte, lass uns wieder nach Bochum ziehen, sagte mein Mann: Ja dann musst du mal versuchen, was zu verändern.
Ingrid Rudat: Genau: Mach doch mal was!
Irmgard Soldat: So nach dem Motto. Ich ging in die CDU, wurde sachkundige Bürgerin und bekam schon die ersten Probleme mit unserem Ortsvorsteher. Der konnte das überhaupt nicht verstehen: Da kommt so eine Zugereiste. Und die hat noch eine große Klappe und möchte vier Laternen da und einen Bus und ich weiß nicht was. Zu der Zeit sprach mich der spätere Werler Bürgermeister Kunibert Becker an und fragte, ob ich nicht Interesse an der Kreispolitik habe. Er sagte: Hier kannst du deine Ideen einbringen. Im Übrigen hatte ich es später dann auch erreicht, dass wir in unserer Straße eine Laterne hatten und morgens und abends fuhr dann auch ein Bus nach Werl.
Frage: Sie, Frau Rudat, sind ganz früh in die Politik gegangen, wären aber um ein Haar 1975 nicht in den Kreistag gekommen, oder?
Ingrid Rudat: Erst nachts um halb zwei war damals nach der Wahl klar, dass ich das Mandat geholt hatte. Ich stand auf Platz vier der Reserveliste. Bis klar war, dass die Reserveliste bis dahin zog, war es mitten in der Nacht. Ich war die einzige Frau in Reihen der CDU und mit 27 noch extrem jung, wenn du die ganzen alten weißen Männer dagegen gesehen hast. Die SPD hatte Frau Wöhrmann und Frau Kuppert. Wir waren die einzigen drei Frauen damals. Es gab übrigens nur drei Parteien im Kreistag: CDU, SPD und FDP. Dann war ja Schluss.
Frage: Einfluss nahmen Sie beide, Frau Soldat und Frau Rudat, auf die Jugend- und Sozialpolitik. Sie waren viele Jahre Vorsitzende des Jugendhilfeausschusses, Frau Soldat. Der frühere Bundeskanzler Schröder tat diese Bereiche als Gedöns ab.
Irmgard Soldat: Sozialpolitik war bei den Männern nicht unbedingt der gewünschte Bereich, da wollte auch keiner rein. Ich habe mich da von Anfang an immer ziemlich reingekniet, um die Strukturen zu verändern und zu vertiefen. Für mich gehören übrigens Sozial- und Wirtschaftspolitik immer zusammen, deshalb bin ich immer in den Beratungen der Wirtschaftspolitik dabeigewesen. Ohne Wirtschaft läuft Soziales nicht, das ist ja klar.
Frage: Sie, Frau Soldat, sind die Erfinderin des Pflegesterns. Seit 2006 wird die Auszeichnung vergeben, mit der die Wertschätzung der Arbeit der vielen Menschen ausgedrückt wird, die ihre pflegebedürftigen Angehörigen zu Hause versorgen. Was wollten Sie mit dem Pflegestern erreichen?
Irmgard Soldat: Auslöser war seinerzeit ein abgelehntes Bundesverdienstkreuz für eine Frau, die viele Jahre Onkel, Tante, Mutter, Vater, Schwiegermutter und Schwiegervater gepflegt hatte. Ich hatte diese Frau damals für das Bundesverdienstkreuz vorgeschlagen, was abgelehnt wurde. Das hat mich damals sehr geärgert. Mit dem Pflegestern, einer öffentlichen Anerkennung der so oft im Stillen geleisteten, harten Arbeit, wollte ich ein Zeichen setzen. Die Öffentlichkeit sollte darauf aufmerksam werden. Als ich die Idee vorschlug, wurde mir aber natürlich erstmal gesagt: Dann musst du sehen, dass du auch das Geld zusammenkriegst dafür. Wir machen das zwar gerne mit, aber es darf uns nichts kosten. Und dann habe ich Sponsoren gesucht und auch gefunden. Anfangs haben wir den Pflegestern von den Sponsorengeldern bezahlt, und ich hatte dann sogar noch etwas Geld übrig, sodass wir einen kleinen Empfang machen konnten. Da muss ich sagen, war ich mächtig stolz drauf, dass mir das gelungen ist. Irgendwann später habe ich ausgehandelt, dass wir dafür ein bisschen Geld in den Haushalt kriegen.
Frage: Beschreiben Geschichten wie die des Pflegesterns die besondere Herangehensweise von Frauen in der Politik?
Eva Irrgang: Ich glaube, Frauen stellen immer eher das Verbindende und Lösungsorientierte in den Vordergrund.
Irmgard Soldat: Und man holt alle an einen Tisch. Im Jugendhilfeausschuss habe ich dafür gesorgt, dass wir uns immer auch mit den Verbänden zu Vorgesprächen treffen, um zu erklären, warum wir dieses oder jenes machten. Fast immer haben wir einstimmige Beschlüsse fassen können.
Frage: Hatten Sie auf Ihrem Weg Unterstützer?
Irmgard Soldat: Also an zwei Männer kann ich mich ganz besonders erinnern, die Frauen unterstützt haben. Das war zum einen Kunibert Becker.
Ingrid Rudat: Ja, das stimmt. Und Theodor Röllgen, der auch seit 1975 im Kreistag saß und später langjähriger Fraktionsvorsitzender war. Theo Röllgen sagte immer: „Mach das mal, das schaffst du schon!“
Frage: „Mach das mal, das schaffst du schon“: Ist es auch das, was Sie jüngeren Frauen heute auf den Weg geben würden, wenn sie Sie fragen, ob es sich lohnt, in die Politik zu gehen?
Ingrid Rudat: Es bleibt bei allem etwas hängen, was man für sich persönlich mitnehmen kann.
Eva Irrgang: Genau. Wenn man will, kann man hier viel lernen. Man muss zuhören, aber auch mal ein paar Unterlagen lesen. Dann kann man mitreden, man entwickelt sich persönlich weiter und man entdeckt: Man kann mehr bewegen als man eigentlich glaubt, und es macht auch viel mehr Spaß als man vorher geglaubt hatte. Also: Einfach mal machen!
Das Gespräch fasste Pressesprecherin Birgit Kalle zusammen.
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„Man kann mehr bewegen als man eigentlich glaubt, und es macht auch viel mehr Spaß als man vorher geglaubt hatte“, darin sind sich einig: Landrätin Eva Irrgang (Mitte), Ingrid Rudat (rechts, 45 Jahre Kreistagsmitglied) und Irmgard Soldat (links, 31 Jahre Kreistagsmitglied). Anlässlich des Kreisjubiläums hatte Landrätin Irrgang die langjährigsten weiblichen Kreistagsmitglieder zum Austausch eingeladen. Aus gesundheitlichen Gründen nicht dabei sein konnte Geesken Wörmann, die zusammen mit Ingrid Rudat zu den drei Frauen der ersten Stunde zählte. Foto: Birgit Kalle/ Kreis Soest
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