Meldungsdatum: 11.06.2025

Eindringlicher Blick auf die Entrechtung von Menschen durch die Nationalsozialisten: Ausstellung „Abgestempelt“ in der Bürgerhalle

Die Würde des Menschen ist unantastbar- so eindeutig steht es in Artikel 1 des Deutschen
Grundgesetzes und genauso eindeutig war auch der Appell mit dem sich Ulrich Reitinger
am Mittwoch, 11. Juni 2025, im Ratssaal der Kreisstadt Unna an die Gäste der
Eröffnungsfeier der Ausstellung „Abgestempelt: Die Schicksale der Menschen mit
Behinderungen im Nationalsozialismus“ wandte: „Lassen Sie uns alle daran arbeiten, dass
dies nicht in Vergessenheit gerät.“


Es war eine treffende Mahnung angesichts einer Ausstellung, die auf beeindruckende und
erschütternde Weise aufzeigt, mit welcher präzisen Systematik die Nationalsozialisten
Menschen umbrachten, die in ihren Augen als „lebensunwert“ abgestempelt wurden.
„Durch Nahrungsentzug, die bewusste zu hohe Dosierung von Schlafmitteln, die
Lungenentzündungen hervorrief, die man dann unbehandelt ließ und letztlich durch
Vergasung wurden auf diese Weise 300.000 Erwachsene ermordet – und allein in Unna
wissen wir von zwei Kindern und mindestens 16 Erwachsenen, die auf diese Weise
ermordet wurden“, schilderte Ulrich Reitinger, der für den Arbeitskreis Spurensuche in
Holzwickede seit langer Zeit die Schicksale der Opfer des Nationalsozialismus recherchiert,
wie die Nationalsozialisten die von ihnen als „erbkrank“ eingestuften Menschen
systematisch erfassten, isolierten und letztlich töteten. Die Ausstellung „Abgestempelt“
zeigt diesen Prozess auf – und wirft schlaglichtartig einen Blick auf drei Einzelschicksale
aus Unna, die der Arbeitskreis Spurensuche aus Unna in akribischer Recherchearbeit
aufgearbeitet hat.

Drei Einzelschicksale aus Unna

Darunter das von Herbert Voss, 1925 geboren mitten in Unnas Innenstadt an der Gerhart-
Hauptmann-Straße. Der blinde Junge besucht die Blindenschule in Soest, wird als „geistig
schwach begabt“ bezeichnet, leidet an epileptischen Anfällen. Mit dem sogenannten
„Führererlass“ vom 1. September 1939, der vorsieht, „unheilbar Kranken den Gnadentod
zu gewähren“, setzt sich das systematische Ermorden von Menschen mit Behinderung in
Gang – und erfasst auch Herbert Voss: Mit gerade mal 16 Jahren wird er binnen eines
Tages in die Tötungsanstalt Hadamar gebracht und dort vergast. Auf seiner Sterbeurkunde
stehen eine erfundene Todesursache und ein falsches Datum. Eindrücklich schilderte
Jürgen Düsberg vom Arbeitskreis Spurensuche aus Unna das kurze Lebens von Herbert
Voss und der beiden Frauen, deren Schicksale ebenfalls auf den großformatigen
Ausstellungswände zu sehen sind: „Es war ein Massenmord auf dem Dienstweg.“

Appell: Wachsam bleiben gegen jede Form der Stigmatisierung

Bürgermeister Dirk Wigant würdigte im Rahmen der Ausstellungseröffnung die Arbeit des
Arbeitskreises Spurensuche: „Sie leisten seit vielen Jahren unverzichtbare Arbeit, damit
wir nicht vergessen, was in diesem Land, in unserer Stadt geschehen ist. Erinnern heißt
auch anerkennen, was lange übersehen wurde.“ Auch er wandte sich mit einem Appell an
die Besucher*innen der Eröffnungsfeier: „Lassen Sie uns wachsam bleiben gegenüber
jeder Form der Stigmatisierung – in Unna und darüber hinaus.“ Unter den Besucher*innen
waren zahlreiche Schülerinnen und Schüler – eine Tatsache, die die Mitglieder des
Arbeitskreises Spurensuche besonders freute: „Das Thema der Ausstellung geht nicht nur
uns Alte etwas an, es ist eine Erinnerung, die wir alle gemeinsam wach halten müssen;
deswegen freut es mich sehr, dass so viele jungen Menschen heute hier sind“, so
Dorothea Schäfer vom Arbeitskreis Spurensuche aus Unna in ihrer Begrüßung.


Auch die Gestaltung der Eröffnungsfeier lag in jungen Händen: Schülerinnen und Schüler
der Werner-von-Siemens-Gesamtschule aus Unna-Königsborn begleiteten die Feier
musikalisch.


Die Wanderausstellung ist ab sofort zu den Öffnungszeiten des Rathauses in der
Bürgerhalle bis zum 8. Juli zu sehen. Anschließend wird die Ausstellung in weiteren
Kommunen des Kreises Unna aufgebaut, unter anderem im September in Bergkamen und
im Oktober in Schwerte.


Zu dieser Meldung können wir Ihnen folgende Medien anbieten:

Ausstellung "Abgestempelt" in der Bürgerhalle des Rathauses Unna

©  Anna Gemünd/Kreisstadt Unna
Ausstellung


Ausstellung "Abgestempelt" in der Bürgerhalle des Rathauses Unna

©  Anna Gemünd/Kreisstadt Unna
Ausstellung