Meldungsdatum: 13.06.2025
Klingt logisch bei einem Märchen, in dem genau diese Haartracht eine zentrale Rolle spielt? Stimmt, aber genau genommen jubelte das Publikum für die Teamleistung von 50 freiwilligen Häklerinnen und Häklern, die diesen Zopf gemeinsam geschaffen haben. In seiner Begrüßung dankte Intendant Frank-Lorenz Engel den unzähligen Helfern: Nach dem Aufruf des Festspielbüros habe man im besten Fall mit vielleicht sieben Interessenten gerechnet. „Gemeldet haben sich 1200 Menschen. Wir waren überwältigt“, so Engel. 50 seien dann für die gemeinschaftliche Zopfproduktion ausgelost worden, die restlichen Handarbeitskünstler hätten mit gehäkelten Blüten ebenfalls entscheidend das Bühnenbild mitgestaltet und verschönert. Das Projekt habe ein starkes Zeichen für Partizipation, Kreativität und kulturelle Nähe gesetzt.
Bevor die berühmten sechs Meter Teamwork jedoch erstmals in Erscheinung treten, lernen die Zuschauerinnen und Zuschauer zunächst zwei Rapunzelpflanzen kennen, die im Garten der Zauberin (Valerija Laubach) wachsen: Pinz (Rosa Abruscato) und Punz (Barbara Seeliger). Während Pinz romantisch-verträumt und gutgläubig ist, zeigt sich Punz als Pessimistin mit Hang zur Besserwisserei – ein echtes Dreamteam, das das Publikum mit seiner Unterschiedlichkeit und vielen kessen Sprüchen unterhält. Dem klassischen Handlungsstrang folgend wünscht sich die schwangere Anna Schneider (Ulla Wagener) nach Fleischwurst und Zimtschnecken nichts sehnlicher als frische Rapunzeln. Das zarte Grün, mit bürgerlichem Namen Feldsalat, aber wächst nur im Garten und Zauberin und der ist tabu. Annas Mann Hans (Benedikt Selzner) wehrt sich zunächst noch gegen das unbefugte Eindringen dort, gibt aber schließlich dem Flehen seiner Gattin nach. Es kommt so wie es kommen muss: Die Zauberin erwischt ihn, lässt vermeintlich Gnade walten und Hans mit einem bisschen Salat seiner Wege ziehen – doch klar ist: Sie wird sich ihre „Güte“ irgendwann bezahlen lassen. Kaum ist also das Baby zur Welt gekommen, erhebt sie Anspruch, verwandelt Anna und Hans kurzerhand in Steine und nimmt den Säugling zu sich.
Warum aber hasst die Zauberin Menschen so sehr? Sie sei so oft maßlos enttäuscht worden, erklärt sie Pinz und Punz in der aktuellen Hanauer Version des klassischen Märchens, das aus der Feder des Autorenduos „Die Köbris“ (Anja Kömmerling und Thomas Brinx) stammt. Die Menschen behaupteten, sie würden die Natur lieben, aber gleichzeitig vergifteten sie Flüsse, holzten Wälder ab (Punz: „Für Billigmöbel!“), zerstörten den Lebensraum unzähliger Pflanzen und Tiere. Kein Mensch sei reinen Herzens. Das soll bei Baby Rapunzel anders sein: Das Kind wächst abgeschottet von allem und jedem bei der Zauberin auf, lernt alles über Pflanzen und Heilkräuter und vermisst nichts. Wie auch, denn Rapunzel (Hannah Sophie Schad) kennt ja den Umgang mit anderen Menschen nicht. Bis sie Prinz Ludwig (Malte Flierenbaum) trifft. Der hat sich beim Spielen mit seinem Bruder Kaspar (Moritz Reinisch) in den Garten der Zauberin verirrt, wirkt auf Rapunzel zunächst wie ein ignoranter Trampel, gewinnt dann aber ihr Interesse, als er ihr seine heimliche Leidenschaft, häkeln, offenbart. Rapunzelpflanze Punz ringt entsetzt die grünen Blätter (Kostümbild: Anke Küper und Kerstin Laackmann): Sie ahnt, dass das nicht gut gehen kann, wenn die Zauberin von dem ungebetenen Gast erfährt. Und genau so geschieht es: Wutentbrannt über den Verrat zaubert sie alle Erinnerungen der beiden jungen Menschen an diese Begegnung weg und verpasst ihrer Ziehtochter Hausarrest im Turm auf unbestimmte Zeit.
Jetzt kommt der erste große Auftritt des Sechs-Meter-Zopfes (Maskenbild: Wiebke Quenzel; Bühnenbild: Tillman von Blomberg): Szenenapplaus für das beeindruckende Gemeinschaftswerk, als die Zauberin daran den Turm erklimmt. Hier oben ist die Stimmung schlecht: Pinz und Punz müssen den ganzen Tag im Topf bleiben, Rapunzel häkelt zwar emsig an unzähligen Blumen, langweilt sich und fleht, wieder mit ihrer Mutter im Garten arbeiten zu dürfen. Die Zauberin ist genervt, bleibt jedoch hart in der Sache und lässt sich auf keine Lockerungen ein.
Szenenwechsel: Die Mutter der beiden Prinzen, Königin Therese von Niedersteinheim (Ulla Wagener), hat genug von den Alleingängen ihrer Söhne. Thronfolger Ludwig soll endlich unter die Haube – die spanische Prinzessin Dolores (Larissa Grosenick) und ihr Onkel sind bereits auf dem Weg zum Schloss, um die Vermählung unter Dach und Fach zu bringen. Und was Kaspar angeht, so macht auch der unbeschwerte „Partyprinz“ der Monarchin, die zum Entzücken des Publikums schönstes Hessisch babbelt, keine Freude. Ludwig fügt sich schließlich in sein Schicksal, akzeptiert, dass er heiraten und das Land führen soll – doch als er durch Zufall den Turm entdeckt und Rapunzel sozusagen „erneut kennenlernt“ (wir denken an den Erinnerungszauber), ist es um beide geschehen. Beim nächsten Besuch wird Rapunzel noch wagemutiger, lädt den Prinzen in ihr Zimmer ein und wird dabei fast von der Zauberin erwischt, als diese unangekündigt zu Besuch kommt. Ludwig erkennt den Turm als das, was er ist, ein Gefängnis, möchte Rapunzel befreien und mitnehmen, mit ihr die Welt entdecken – doch für das Mädchen ist das undenkbar. Sie hält die Zauberin für ihre leibliche Mutter, stellte bisher ihre abgekapselte Lebensweise per se nicht in Frage, und wird nun mit einer unangenehmen Wahrheit konfrontiert: Ihr Leben basiert auf der Lüge der Zauberin. Die junge Liebe steht vor einer Zerreißprobe. Das Ganze spitzt sich zu, als Pinz und Punz sich schließlich in Rapunzels Auftrag auf den Weg zu Ludwig machen, die Zauberin von all dem erfährt und voller Wut ihre Ziehtochter und deren Vertraute in ein Verlies hext. Verzweiflung macht sich breit: Ludwig sucht gemeinsam mit Kaspar nach seiner Liebsten, diese sitzt in einem Verlies, in dem es auch für Pinz und Punz ohne Erde und Pflanzennährstoffe langsam eng wird, und sogar die Zauberin trauert um das verlorene, unschuldige Kind. Es gelingt den drei Gefangenen, sich zu befreien. In einer letzten Konfrontation mit der Zauberin entscheidet sich Rapunzel mutig für ein selbstbestimmtes Leben. Am Ende des Märchens, bei dem Adisat Semenitsch Regie führte (Komposition: Kolja Erdmann), sortiert sich alles und jeder – und es gibt sogar manches unerwartete Pärchen.
Das Publikum geizte nicht mit Zwischenapplaus und belohnte das gesamte Ensemble von Rapunzel mit langanhaltendem Klatschen, zahlreichen „Vorhängen“ und lauten „Bravo“-Rufen.
Alle Informationen zur 41. Spielzeit der Brüder Grimm Festspiele Hanau (bis 27. Juli im Amphitheater Hanau): Brüder Grimm Festspiele - 41. Spielzeit ・ 09.05 - 27.07.2025.
Pressekontakt: Prof. Dr. Jeroen Coppens, Telefon 06181-295-06721
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