Meldungsdatum: 08.12.2025
Rund 60 Fachkräfte aus der (Frauen-)Hilfeinfrastruktur sowie dem Bereich Migration und Flucht nahmen am Mittwoch, 3. Dezember, am Fachtag „Gewaltschutz im Kontext von Migration & Flucht – Herausforderungen und Ansprüche an ein kultursensibles Hilfesystem“ im Iserlohner KAI (Rahmenstraße 22) teil. Dabei machte die Veranstaltung deutlich: Wer vor Gewalt flieht, findet hierzulande häufig neue Barrieren statt schneller, wirksamer Hilfe.
Trotz Istanbul-Konvention, jahrelanger Forderungen aus der Fachpraxis und alarmierender Lageberichte existieren noch immer Schutzlücken für Gewaltbetroffene – insbesondere für migrantische und geflüchtete Frauen bestehen strukturelle Hürden, die sie in gefährlichen Situationen festhalten.
Veranstaltet wurde der Fachtag vom Koordinierungskreis der „Runden Tische gegen häusliche Gewalt“ im Märkischen Kreis, bestehend aus Vertreterinnen der Runden Tische Nord- und Südkreis und der Plettenberger Gesprächsrunde: Die Gleichstellungsstellen der Städte Iserlohn, Menden, Lüdenscheid und Plettenberg, das Frauenhaus im MK (AWO) und die Frauenberatungsstelle MK (Frauen helfen Frauen e. V.) gehörten zum aktiven Vorbereitungs-Kreis dieses Fachtages. Gefördert wurde die Veranstaltung durch das Ministerium für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration des Landes NRW (MKJFGFI NRW).
Fachkräfte berichteten bereits im Vorfeld an den Runden Tischen von erheblichen Schwierigkeiten, mit denen geflüchtete und migrantische Frauen im Kontext geschlechtsspezifischer Gewalt konfrontiert sind – von einem unsicheren Aufenthaltsstatus über Informationsdefizite bis hin zu systemischen Barrieren.
Zur thematischen Einführung lud das Frauenhaus im MK die Teilnehmenden zu einer kreativen und interaktiven Kulturrallye ein, die Impulse für einen Perspektivwechsel und mehr Sensibilität setzte.
Gewalt als Menschenrechtsverletzung und die besondere Situation migrantischer Frauen
Im Zentrum des ersten Vortrags stand die Menschenrechtsdimension geschlechtsspezifischer Gewalt. Referentin Behshid Najafi, Mitbegründerin der Informations- und Beratungsstelle „agisra e.V. Köln“, zeigte eindrücklich auf, wie patriarchale Strukturen Gewalt gegen Frauen weltweit vorantreiben. Migrantische und geflüchtete Frauen seien aufgrund fehlender sozialer Netzwerke, mangelnder rechtlicher Sicherheit und Erfahrungen mit Rassismus besonders vulnerabel. Najafi betonte, dass die Istanbul-Konvention die Vertragsstaaten zu umfassenden Präventions- und Interventionsmaßnahmen verpflichtet, jedoch weiterhin deutliche Defizite bestehen – insbesondere durch fehlende Bekanntheit der Konvention selbst unter Fachleuten.
Im anschließenden Austausch wurde deutlich, wie groß der Handlungsbedarf im Märkischen Kreis und darüber hinaus ist. Teilnehmende schilderten Fälle, in denen Frauen trotz akuter Gefährdung durch strukturelle und bürokratische Vorgaben in riskanten Lebenssituationen verbleiben mussten.
Komplexe Rechtslage erschwert Wege aus der Gewalt
Der zweite Vortrag der Fachtagung widmete sich migrations- und asylrechtlichen Fragen. Rechtsanwältin Martina Lörsch, Fachanwältin für Straf- und Migrationsrecht, gab einen umfassenden Überblick über rechtliche Hürden, die gewaltbetroffene Frauen im Flucht- und Migrationskontext besonders belasten.
Sie erläuterte unter anderem die Ehebestandszeit von drei Jahren nach § 31 AufenthG, die Frauen, die sich aus gewaltvollen Beziehungen lösen wollen, häufig in prekäre Situationen bringt. Viele Betroffene scheuen aus Angst vor dem Verlust des Aufenthaltsrechts den Schritt in die Trennung. Auch die Anforderungen an den Nachweis eines Härtefalls bei häuslicher Gewalt seien für viele kaum erfüllbar. Weiterhin beleuchtete Lörsch die Rolle der Istanbul-Konvention, um den aufenthaltsrechtlichen Schutz für Betroffene zu stärken.
Die lebhafte Diskussion im Anschluss machte deutlich, dass Fachkräfte dringend bessere rechtliche Rahmenbedingungen sowie klarere Handlungsleitlinien benötigen.
Der Koordinierungskreis zog ein positives Fazit: Die große Resonanz zeige, wie wichtig das Thema für die regionale Fachpraxis ist. Die Ergebnisse des Fachtags sollen in die Arbeit der Runden Tische einfließen und Impulse für die Weiterentwicklung eines kultursensiblen Gewaltschutzsystems im Märkischen Kreis geben.
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