Meldungsdatum: 09.12.2025

Landrat: „Handlungsspielraum ist Fehlanzeige“

(pen) Gut sechs Wochen nach seinem Amtsantritt hat Landrat Jan-Christoph Schaberick den Haushalt des Ennepe-Ruhr-Kreises in den Kreistag eingebracht. Im Interview erläutert er die kommunale Finanzlage, die Größe der Herausforderungen und notwendige politische Weichenstellungen auf Landes- und Bundesebene

 

 

pen: In den öffentlichen Debatten wirkt es aktuell so, als würden die Kommunen absehbar in Geld schwimmen. Sehr trügerisch, oder?

 

 

Jan-Christoph Schaberick: Dieser Trugschluss liegt nahe. Sondervermögen, neue Programme und große Ankündigungen erwecken Eindrücke, die der realen Kassenlage vor Ort in keinster Weise entsprechen. Die kommunalen Haushalte stehen ausnahmslos unter massivem Druck. Wir kämpfen – und damit meine ich die Kreisverwaltung ebenso wie die neun Stadtverwaltungen im Kreis – mehr denn je darum, den Kopf über Wasser zu halten.

 

 

pen: Wie bewerten Sie die Mittel aus dem Sondervermögen des Bundes?

 

 

Schaberick: Von den 500 Milliarden Euro des Bundes fließen 21,1 Milliarden nach NRW. Nur 60 Prozent davon erreichen die Kommunen. An uns als Ennepe-Ruhr-Kreis werden bis 2038 insgesamt 33 Millionen Euro überwiesen – für mich der sprichwörtliche Tropfen auf den heißen Stein. Ich fordere deshalb vom Land, alle Mittel unbürokratisch und vollständig an die Kommunen weiterzugeben. Wir vor Ort, wir in Kreis- und Rathäusern, wissen schließlich am besten, wo das Geld am dringendsten gebraucht wird.

 

 

pen: Endlich Zählbares liefern – diese Aufforderung an die Adressen in Berlin und Düsseldorf ist aber nichts Neues.

 

 

Schaberick: Nein – auf allen Ebenen wird von der kommunalen Familie seit Jahren deutlich gemacht, wie unabdingbar strukturelle Änderungen sind. Dazu gehört das Lösen der Altschuldenproblematik ebenso wie eine auskömmliche Finanzierung der Pflichtaufgaben, die Bund und Land uns übertragen haben und immer weiter übertragen. Der Grundsatz ´Wer bestellt, bezahlt´, blieb und bleibt viel zu häufig unbeachtet.

 

 

pen: Aktuell führt auch dies dazu, dass der Haushaltsentwurf der Kreisverwaltung einen Hebesatz von 47,8 Prozent vorsieht, ein Plus von 3,67 Punkten. Den Städten wird das nicht gefallen. Ihre Frage, ob die Verantwortlichen im Schwelmer Kreishaus immer noch nicht verstanden hätten, wie angespannt die Lage der Städte ist, liegt auf der Hand.

 

 

Schaberick: Unser Haushalt und der damit verbundene Hebesatz beruhen ja nicht auf Willkür, sie sind das Ergebnis der Kalkulation von Ausgaben, die wir für die uns übertragenen Aufgaben machen müssen. Die Gründe für das Plus liegen außerhalb unserer Verantwortung. Es sind im wesentlichen geringere Schlüsselzuweisungen des Landes (8,5 Millionen Euro), steigende Beihilfen zur Pflege (7,8 Millionen) und das Plus bei der Umlage des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (eingeplante 10,8 Millionen).

 

 

pen: Mehrausgaben, die auch die von der Kreisverwaltung erreichten Sparziele auffressen.

 

 

Schaberick: Die Kreisverwaltung hat in den letzten Monaten an vielen Stellschrauben gedreht. Durch Budgetkürzungen, das freiwillige Haushaltssicherungskonzept und den so genannten globalen Minderaufwand sind 15,8 Millionen Euro zusammengekommen.

 

 

Auch beim Personal wurden Abstriche gemacht. Am Ende konnte die Kreisverwaltung die dem Kreistag und den Städten versprochene ´schwarze Null´ im Stellenplan realisieren. Das bedeutet: Alle für die Aufgabenwahrnehmung als zwingend eingestuften Mehrbedarfe an Stellen wurden durch Einsparungen kompensiert. Hier haben wir aber jetzt einen Punkt erreicht, dessen Zumutbarkeit ich sowohl gegenüber den Beschäftigten als auch den Bürgerinnen und Bürgern gegenüber gerade noch vertreten kann und möchte.

 

 

pen: Welche Erwartungen haben Sie an die Haushaltsdebatten, zu denen es jetzt mit den Städten und im Kreistag kommen wird?

 

 

Schaberick: Ich wünsche mir sach- und faktenorientierte Debatten und die Zielsetzung, die vor uns liegenden Herausforderungen gemeinsam zu meistern. Schließlich geht es für alle kommunalpolitisch Verantwortlichen im Ennepe-Ruhr-Kreis darum, Aufgaben und Ausgaben so zu organisieren, dass 315.000 Menschen in neun Städten gut leben und arbeiten können. Um hier wieder mehr Handlungsspielraum zu erlangen, sollten zudem gerade die Haushaltsdebatten genutzt werden um auf breiter Front, Bund und Land aufzufordern, uns übertragene Aufgaben endlich vollständig zu finanzieren.

 

 

Stichwort Kreishaushalt 2026

 

 

Kreiskämmerin Andreas Stöhr plant den Etat mit Aufwendungen in Höhe von 847,2 Millionen Euro und Erträgen von 855,2 Millionen Euro. Das Defizit von 8 Millionen Euro soll durch einen globalen Minderaufwand ausgeglichen werden. Bedeutet: Diese Summe ist als Einsparung festgelegt, an welchen Stellen im Kreishaushalt entsprechende Streichungen vorgenommen werden, wird aber erst später entschieden.

 

 

Als Hebesatz nennt die Kreisverwaltung 47,8 Prozent, 3,67 Punkte mehr als 2025. Dieser Wert ist mitentscheidend dafür, wie viel Geld die Städte an den Kreis überweisen müssen. Insgesamt sind hier im Entwurf des Haushaltes hier 324,6 Millionen Euro eingeplant.

 

 

Das Verabschieden des Haushaltes sowie des freiwilligen Haushaltssicherungskonzeptes durch den Kreistag ist für Montag, 23. März, geplant. Bis dahin stehen Beratungen in den Fachausschüssen sowie in den Fraktionen auf dem Programm.

 

 

Bereits am Montag, 26. Januar, steht in einer Sondersitzung des Kreistages die Anhörung der Vertreter der kreisangehörigen Städte zur Kreisumlage auf der Tagesordnung. Grundlage hierfür ist die nordrhein-westfälische Kreisordnung. Über vorgebrachte Einwendungen der Städte entscheidet der Kreistag.


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Landrat Jan-Christoph Schaberick/Foto: UvK/Bernd Henkel