Pressemeldung der Stadt Bocholt

Bocholt, 14. April 2000

Symposium über Jeanette Wolff - Paul Spiegel, Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland begrüßt die Teilnehmer

Beitrag zur "Politischen Erinnerungskultur"

Bocholt (pd).

"Leben ist unsere Aufgabe, wir mit anderen und andere mit uns" (Leo Baeck), ein Motto, das Jeanette Wolff sich zeit ihres Lebens zu eigen machte. Unter dieses Motto ist auch das Symposium gestellt. Als ein Beitrag zur "Politischen Erinnerungskultur" am Beispiel der in Bocholt geborenen Gewerkschafterin, Bundestagsabgeordneten (1952-1961), stellv. Vorsitzenden des Zentralrates der Juden in Deutschland (1965-1975) und Berliner Stadtältesten Jeanette Wolff versteht sich ein Symposium, das vom Donnerstag, 18. Mai 2000 (abends) bis Samstag, 20. Mai 2000 (mittags) in der Europäischen Staatsbürger-Akademie Bocholt stattfindet. Das Symposium steht unter wissenschaftlicher Leitung von Prof. Dr. Bernd Faulenbach, Ruhr-Universität Bochum, Dr. Horst Hillermann, Landeszentrale für politische Bildung NRW, Düsseldorf und Georg Ketteler, Leiter des Kulturamtes der Stadt Bocholt.

Begrüßt werden die Teilnehmer am Donnerstag, 18 Uhr, durch Bocholts Bürgermeister Klaus Ehling, den Präsidenten des Zentralrates der Juden in Deutschland, Paul Spiegel, und Gabriele Behler, Ministerin für Schule und Weiterbildung, Wissenschaft und Forschung des Landes NW.

Den Eröffnungsvortrag zum Thema "Dimensionen einer deutsch-jüdischen Biografie im 20. Jahrhundert" hält Prof. Dr. Bernd Faulenbach. An diesen Vortrag schließt sich um 20 Uhr ein Empfang der Landesregierung an. Am Freitag wird das Symposium in der Europäischen Staatsbürger Akademie Bocholt fortgesetzt. Dr. Brigitte Seemann vom Archiv Bibliographia Judaika e.V. in Frankfurt beginnt mit dem Vortrag "Jeanette Wolff - Ein politisches Porträt". Dr. Andreas Nachama, der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Berlin, referiert über Jeanette Wolffs Arbeit in der jüdischen Gemeinde und im Zentralrat der Juden im Nachkriegsdeutschland. Das "Jüdische Leben vom Kaiserreich bis zur Bundesrepublik Deutschland" ist ein Thema, das Prof. Dr. Wolfgang Benz von der Technischen Universität Berlin behandelt. Es folgen dann noch Referate zu den folgenden Themen:

  • "Widerstand und Leiden Jeanette Wolffs in der NS-Zeit" mit Christoph Moß, Dipl.-Soz.-Wiss., Moers,

  • "Gespräche mit Edith Marx, der Tochter von Jeanette Wolff" mit Brigitte Eckers, Deutsch-Israelische Gesellschaft Niederrhein-Westmünsterland und Dr. Hans D. Oppel vom Stadtarchiv Bocholt,

  • "Jeanette Wolff, Leben und Wirken, Begleitausstellung mit Bildern und Dokumenten" mit Jürgen Grafen und Gisela Schulz-Marzin aus Dinslaken.

Am Freitag setzt sich das Symposium mit einem Vortrag von Prof. Dr. Susanne Miller, Bonn fort, Thema: "Erinnerungen an Jeanette Wolff". Dr. Ludger Heid von der Universität Duisburg referiert zum Thema "Die Sozialdemokratin Jeanette Wolff 1945 - 1976". PD Dr. Michael Zimmermann von der Universität Jena hält den Abschlussvortrag zum Thema "Die Bedeutung der Erinnerungskultur für das 21. Jahrhundert".

Das Symposion will deutlich werden lassen, dass Jeanette Wolff, eine engagierte Frau und Verfolgte des Nazi-Terrors wie auch (nach 1945 in Berlin) der Kommunisten in mehrfacher Hinsicht erinnerungswürdig und zugleich auch ein Vorbild für die Jugend ist. Am Beispiel dieser großartigen Persönlichkeit soll vermittelt werden, dass und weshalb man sich engagieren soll. Besondere Zielgruppe des Symposions sind Historiker der Universitäten (soweit sie im entsprechenden Forschungsgebiet für das 20. Jahrhundert interessiert sind), Politikwissenschaftler, Jüdische Gemeinden, Journalisten, Geschichts- und Politiklehrkräfte, Gedenkstätten und Mitglieder der Deutsch-Israelischen Gesellschaften.

Nähere Auskünfte zu dem Symposion gibt es beim Kulturamt der Stadt Bocholt, Berliner Platz 1, 46395 Bocholt, Tel. 02871/953-337 bzw. der Landeszentrale für politische Bildung Nordrhein-Westfalen, Neanderstr. 6, 40233 Düsseldorf, Tel. 0211/679-7722.

Zeittafel Jeanette Wolff (Auswahl aus einem reichen Leben):

  • 1888 als Jeanette Cohen am 22. Juni in Bocholt geboren

  • 1898 Stipendium für die höhere Schule

  • 1904 Ausbildung zur Kindergärtnerin in Brüssel

  • 1905 Tätigkeit als Kindergärtnerin in Brüssel, Eintritt in die sozialistische Jugend und in die Gewerkschaft

  • 1910 Heirat mit dem Dortmunder Kaufmann Hermann Wolff, die Töchter wurden 1912, 1916 und 1920 geboren

  • 1919 Wahl in die Stadtverordnetenversammlung in Bocholt

  • 1932 Umzug nach Dinslaken

  • 1933 Verhaftung nach der Wahl am 5. März

  • 1935 Haftentlassung und Umzug nach Dortmund, Eröffnung einer Pension und des Mittagstischs für Juden

  • 1938 in der sog. Reichskristallnacht wird die Wohnung demoliert und Hermann Wolff anch Sachsenhausen deportiert

  • 1939 Einweisung in sogenannte Judenwohnungen

  • 1942 Deportation der Familie in das Getto von Riga, KZ Kaiserwald und Stutthof

  • 1945 Befreiung durch die Rote Armee in Koronowo

  • 1946 Rückkehr nach Deutschland, bleibt in Berlin, engagiert sich gegen die Zwangsvereinigung von KPD und SPD zur SED, wird Vorstandsmitglied der neuen SPD und Stadtverordnete in Berlin, beteiligt sich am Aufbau der Jüdischen Gemeinde in Berlin

  • 1948 bei Tumulten im Berliner Stadthaus wird Jeanette Wolff von Kommunisten geschlagen

  • 1951 wird sie in den Hauptvorstand der Deutschen Angestellen Gewerkschaft gewählt, dem Führungsgremium gehört sie bis 1963 an

  • 1952 - 1961 Mitglied des Deutschen Bundestages

  • 1965 - 1975 war sie stellvertretende Vorsitzende des Zentralrates der Juden in Deutschland

  • 1968 Jeanette Wolff wird mit der Stadtältestenwürde in Berlin ausgezeichnet

  • 1973 erhält sie die Ernst-Reuter-Plakette

  • 1974 beteiligt sie sich an der Gründung des SPD Seniorenrates

  • 1975 muss sie zwei schwere Augenoperationen überstehen

  • 1976 starb sie am 19. Mai in Berlin

Zeittafel entnommen aus: Gunter Lange, Jeanette Wolff, 1888 bis 1976, Eine Biographie, Bonn 1988, ISBN 3-87831-468-X


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Jeanette Wolff
Jeanette Wolff, in Bochlt geboren und in Berlin 1976 verstorben, ist als engagierte Frau und Verfolgte des Naziterrors wie auch (nach 1945 in Berlin) der Kommunisten in mehrfacher Hinsicht erinnerungswürdig und zugleich auch ein Vorbild für die Jugend.