"Neue"Barockhäuser am Breiten Weg
Magdeburg plant Nachbau historischer Fassaden
Magdeburg.
Barockhäuser am Breiten Weg, diese Vision könnte eines Tages wieder Wirklichkeit werden und ein Stück von der einstigen Pracht der historischen Geschäfts- und Flaniermeile zurück bringen. Die Wohnungsbaugesellschaft Magdeburg GmbH hat gemeinsam mit dem Stadtplanungsamt ein Projekt zum Nachbau barocker Fassaden am Breiten Weg entwickelt.
"Die Idee zu diesem Projekt entstand durch die zahlreichen Anfragen und Wünsche von Magdeburger Bürgern, den Breiten Weg wieder in barocker Weise herzurichten", erklärt Magdeburgs Beigeordneter für Stadtentwicklung, Bau und Verkehr Werner Kaleschky, warum zu Beginn des 21. Jahrhunderts in unmittelbarer Nachbarschaft moderner Einkaufszentren historische Fassaden nachempfunden werden sollen. Hinzu kamen die Planungen der Wobau, die Wohnhäuser am Breiten Weg 177/176/175 zu modernisieren. Die unmittelbaren Nachbarn der einzigen noch erhaltenen Barockhäuser im Breiten Weg 178/179 ("Max und Moritz") entstanden in den 50er Jahren.
"Wir freuen uns, dass die Wobau die Überlegungen und Ideen des Stadtplanungsamtes aufgegriffen und eine Planungsstudie erstellt hat", hofft Magdeburgs Baubeigeordneter, dass das für Magdeburg einmalige Vorhaben tatsächlich Realität werden kann.
Mit dem Projekt, das auf begrenzte Stadträume beschränkt ist, soll dem Wunsch vieler Bürgerinnen und Bürger entsprochen werden, ein Stück des historischen Magdeburgs wieder zu beleben.
"Der historische Breite Weg ist bei der Zerstörung der Magdeburger Innenstadt am 16. Januar 1945 unwiederbringlich verloren gegangen", so Magdeburgs Beigeordneter für Stadtentwicklung, Bau und Verkehr. "Wenn jetzt einzelne barocke Fassaden nach gestaltet werden, so ist dies der Versuch, unter Berücksichtigung der vorhandenen Maßstäbe, der Gliederung der Fassade und der Zuordnung der unterzubringenden Funktionen ein anderes Bild in der Stadtgestalt zu präsentieren, das die Erinnerung wach hält und Touristen anzieht."
Für die regionale Bauwirtschaft ist es eine bauhandwerkliche Herausforderung, die historischen Stilelemente des Barock nach zu bauen. "Sie haben die Chance, an diesen Häusern ihr handwerkliches Können für jedermann erlebbar zu dokumentieren."
Der Breite Weg - Geschichte und Architektur
Der Breite Weg, Magdeburgs Haupteinkaufsmeile, wurde im 12. Jahrhundert in das Stadtgebiet einbezogen. Er verlief ab dem 15. Jahrhundert vom Krökentor bis zum damaligen Sudenburger Tor (heute ungefähr Höhe Danzstraße).
Nach der fast vollständigen Zerstörung Magdeburgs im Jahr 1631 begann der Wiederaufbau der Stadt unter Otto von Guericke, damaliger Bürgermeister Magdeburgs. Es entstand ein neues Magdeburg. Die Stadt wurde in barocker Weise wieder aufgebaut. Der Breite Weg entwickelte sich zu einer Geschäfts- und Flaniermeile, von deren Schönheit heute nur noch wenige Häuser zeugen, z.B. die beiden Häuser im Breiten Weg 178/179 (heute Fielmann). Sie entstanden 1722 und 1725.
Magdeburgs Stadtentwicklung wird bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts entscheidend durch die ausgedehnten, mehrfach vergrößerten Festungsanlagen bestimmt. Zeitweise nehmen die Festungsanlagen eine größere Fläche ein als die Innenstadt.
In der Gründerzeit und in der Zeit der Industriealisierung stieg die Einwohnerzahl sprunghaft an. Die Stadt wuchs explosionsartig. Von 1850 bis 1900 stieg die Einwohnerzahl um 200.000. Magdeburg entwickelte sich zur Großstadt und zu einem bedeutenden Industriezentrum Deutschlands.
Dies setzte neue Anforderungen an das Bauen, neue Strukturen mussten geschaffen werden. Beim Bau der neuen Jakobstraße und der Verbreiterung des Breiten Weges wurden viele Häuser zur Realisierung des neuen Verkehrssystems abgerissen.
Um Wohnraum zu schaffen, wurden die Barockhäuser am Breiten Weg stark überformt und aufgestockt. So gab es bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts nur noch vereinzelt originale Barockhäuser am Breiten Weg.
Der Breite Weg bildete mit seinen 24 östlichen und 23 westlichen Nebenstraßen ein beliebtes Zentrum. Viele davon waren nur kleine Gassen, wie zum Beispiel die Schilder-, Juden- und Schuhgasse, in denen zahlreiche Händler und Handwerker ihre Waren und Produkte anboten.
Stolz überragten der Dom, die Sebastians-, Heilige Geist-, Ulrich- und Katharinenkirche das Viertel. Auf dem Breiten Weg war immer Betrieb. Hauszeichen, Figuren und andere Verzierungen der Fassaden waren bewundernswerte Schmuckstücke. Warenhäuser, Geschäfte, Cafés und Restaurants, Automaten-, Bier- und Weinstuben sorgten für die unverwechselbare Atmosphäre. Um die 40 Gaststätten und Cafés gab es in den Glanzzeiten auf dem Breiten Weg.
Ende der 20er Jahre des vergangenen Jahrhunderts lebten in der dichtbesiedelten Magdeburger Innenstadt ca. 80.000 Menschen.
Am 16. Januar 1945 wurde Magdeburg bei einem Bombenangriff zerstört. 80 Prozent der Magdeburger Altstadt fielen den Bomben zum Opfer. Tausende Menschen verloren in der Nacht ihr Leben. In nur 36 Minuten fiel die Stadt in Schutt und Asche.
Bereits 1946 liefen die ersten Wiederaufbauplanungen an. Der Wiederaufbau kam einem Neuaufbau gleich. Entlang der neuen Ost-West-Achse, der heutigen Ernst-Reuter-Allee, entstand 1953 bis 1958 die neoklassizistisch gestaltete Bebauung. 1959 wurde der gesamte nördliche Innenstadtbereich in einem Wettbewerb bearbeitet. Der Wohnungsbau in der "sozialistischen Innenstadt" erhielt hierbei eine besondere Bedeutung. Der Nordabschnitt des Breiten Weges wurde als erste Fußgänger- und Geschäftsmagistrale der DDR ausgebaut. An der Jacobstraße entstand ein Wohnquartier. Für die Umsetzung der Großprojekte wurden bis in die 60er Jahre hinein wichtige, als störend empfundene Baudenkmäler abgerissen, u.a. fünf der ehemals 11 Kirchen, die die Stadtsilhouette prägten.
In der zweiten Hälfte der 60er Jahre wurden im Bereich zwischen Dom und Strombrücke sowie am Südabschnitt Breiter Weg Wohngebäude errichtet. Parallel dazu gab es umfangreiche Planungen zum Bau der Elbuferpromenade. Anfang der 80er Jahre entstand dann der Einkaufs- und Wohnkomplex Leiterstraße. Außerdem wurden zu dieser Zeit das Sanierungsgebiet südliches Stadtzentrum und die Rekonstruktion des Palais am Domplatz in Angriff genommen. Historische und traditionelle Strukturen des alten Magdeburgs wurden beim Wiederaufbau der Stadt nicht berücksichtigt.
Ziel der heutigen städtbaulichen Gestaltung ist der Versuch, das historische Grundgerüst der Innenstadt zu berücksichtigen und mit den neu entstandenen Strukturen des Wiederaufbaus zu einer spannungs-reichen und identitätsprägenden Einheit zu verbinden. Das Projekt der Wobau, am Breiten Weg barocke Fassaden nachzugestalten, wird dazu beitragen.
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