Pressemeldung der Stadt Bocholt

Bocholt, 18. März 2002

Modeerscheinung Patientenverfügung ?

Betreuerseminar in der Familienbildungsstätte beschäftigt sich mit kontroverser Thematik

Bocholt (pd).

Soll man das eigene Sterben durch Verfügungen und Vollmachten selbstbestimmt regeln können? Handelt es sich bei der sogenannten Patientenverfügung nur um eine Modeerscheinung, oder steckt mehr dahinter? Diesen aktuellen wie kontrovers diskutierten Fragen widmeten sich am vergangenen Freitag 65 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, unter ihnen 45 ehrenamtliche Betreuerinnen und Betreuer, in einem Seminar mit dem Thema "Selbstbestimmt vorsorgen - kritische Anfragen an Patientenverfügungen, Vorsorgevollmachten und Betreuungsverfügungen". Als Veranstalter luden die Familienbildungsstätte (FABI), die Betreuungsstelle beim Fachbereich Soziales der Stadtverwaltung Bocholt sowie die Betreuungsvereine des Sozialdienstes katholischer Frauen (SKF) und der Arbeiterwohlfahrt (AWO) in die Familienbildungsstätte am Ostwall ein.

Inge Kunz, stellvertretende Leiterin der FABI, skizzierte am Beginn kurz die aktuell geführte Diskussion in der Öffentlichkeit. Schlagwörter wie "Sterben nach Maß" und "Lebensverlängerung durch Apparate in der Sterbephase" verursachten bei vielen Bürgerinnen und Bürgern Ängste und Ratlosigkeit. Die Diplom-Sozialwissenschaftlerin Erika Feyerabend vom Forum zur Begutachtung der Biowissenschaften in Essen (BioSkop) erläuterte die verschiedenen Vorsorgemöglichkeiten von der Betreuungsverfügung über die Vorsorgevollmachten bis hin zur Patientenverfügung. Schwerpunkt ihrer Ausführungen war speziell die Patientenverfügung. Über 100 Organisationen in Deutschland – von der Caritas bis zur Seniorenvereinigung der Stadt Wiesbaden – böten laut Feyerabend Vordrucke an, die das Sterben regeln sollen. Unter den Anbietern findet sich auch der Humanistische Verband Deutschlands, der aktive Sterbehilfe befürwortet. Feyerabend führte weiter aus, dass Ärzte grundsätzlich verpflichtet seien, alles zu tun, um das Leben eines Patienten zu verlängern und ihn zu schützen – unter Umständen auch vor sich selbst. Patientenverfügungen seien ferner nicht rechtsverbindlich und somit brauche sich ein Arzt im Krankenhaus nicht daran zu halten. Da noch sehr viele Fragen offen seien und die öffentliche Diskussion bei weitem nicht abgeschlossen sei, sprach sich die Sozialwissenschaftlerin kritisch gegen die Formulierung und Abgabe einer Patientenverfügung aus.

Die Thematik wurde nach der Erörterung in Referatform in Arbeitsgruppen fortgesetzt. Inge Kunz von der FABI, Erika Feyerabend (BioSkop), Evegret Kindermann vom SKF, Britta Diekjobst von der AWO, Klaus Brücks von der Katholischen Pfarrgemeinde Liebfrauen sowie Bernhard Kerkhoff von der Betreuungsstelle der Stadtverwaltung vertieften in den jeweiligen Kleingruppen die Thematik des Abends. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Seminars beleuchteten dabei verschiedene Aspekte. Viele verfügten über persönliche Erfahrungen mit nahen Angehörigen.

Zum Abschluss des Abends stellten die einzelnen Arbeitsgruppen im großen Veranstaltungssaal der Familienbildungsstätte ihre erarbeiteten Themen dem Plenum vor. Gesellschaftliche Aspekte (Vergreisung der Bevölkerung), finanzpolitische Erwägungen (Unbezahlbarkeit des sozialen Systems) aber auch religiöse Inhalte zum Thema waren Gegenstand des Austausches und Auslöser einer regen Diskussionsrunde. Zwangsläufig unterhalte man sich bei Diskussionen über die Patientenverfügung und anderen Vollmachten sehr viel über den Tod, obwohl es doch eigentlich sinnvoller wäre über das Leben nachzudenken, lautete der Tenor bei einigen Seminarteilnehmern. Menschen mit schweren Erkrankungen würden, z. B. im Gegensatz zu vielen Gesunden, selbst ein Leben mit großen gesundheitlichen Einschränkungen für lebenswert halten. Es gehe schlichtweg um den Standpunkt, von welchem aus ein Mensch die Thematik betrachte.

Inge Kunz von der FABI wies in ihren Schlussworten darauf hin, dass die Thematik weiterhin von den Veranstaltern begleitet werde. Für weitere Fragen zur Materie stehen die Betreuungsvereine SKF und AWO sowie die Betreuungsstelle der Stadtverwaltung als kompetente Ansprechpartner zur Verfügung.


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Dipl.-Sozialwissenschaftlerin Erika Feyerabend referierte in der FABI.