Magdeburg.
Magdeburgs Oberbürgermeister Dr. Lutz Trümper empfing heute im Rathaus Vertreter gesellschaftlicher Organisationen und Interessenverbände, um mit ihnen ein "Bündnis für sichere Kommunalfinanzen" zu schließen. "Die schwere Finanzkrise der Städte führt dazu, dass wir die Zuschüsse für Vereine und Verbände kürzen müssen, dass wir Fördermittel für Kultur und Sport reduzieren und Dienstleistungen im sozialen Bereich abbauen", beschreibt OB Dr. Trümper die Dramatik. "Dadurch sind längst auch Vereine, Verbände und gesellschaftliche Organisationen in ihrer Arbeit beeinträchtigt."
Zu den Unterzeichnern der Resolution für ein "Bündnis für sichere Kommunalfinanzen" gehören:
- der Stadtsportbund und die Sportjugend Magdeburg
- der Stadtelternrat
- die Kreishandwerkerschaft Magdeburg
- der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband
- die Arbeiterwohlfahrt, Kreisverband Magdeburg
- der Caritasverband für das Dekanat Magdeburg
- das Deutsche Rotes Kreuz, Stadtverband Magdeburg
- die Stadtmission Magdeburg
- der Deutscher Gewerkschaftsbund, Region Magdeburg-Altmark
- der Landesfrauenrat Sachsen-Anhalt
- der Mieterverein Magdeburg und Umgebung
- der Stadtjugendring
Die Organisationen und Verbände erklärten während der Unterzeichnung, wie wichtig aus ihrer Sicht eine sichere und verlässliche Finanzausstattung der Kommunen ist. Dazu beispielswiese sigrid Kubica, die Geschäftsführerin des Mietervereins Magdeburg und Umgebung e.V.: "Alle Bemühungen um den Stadtumbau und zukunftsfähige Städte sind zum Scheitern verurteilt, wenn die Kommunen nicht mehr atmen können."
Für 2003 ist bei den Kommunen ein nie dagewesenes Rekorddefizit - Differenz zwischen den Einnahmen und Ausgaben der kommunalen Haushalte - zu befürchten. Bundesweit summiert sich das Defizit bis zum Jahresende auf voraussichtlich 9,9 Milliarden Euro, in der Landeshauptstadt Magdeburg fehlen aktuell rund 49 Mio. Euro, um den Haushalt auszugleichen.
Mit "Bündnissen für sichere Kommunalfinanzen" wollen die Städte und Gemeinden in Deutschland auf die schwerste Finanzkrise der Kommunen seit Bestehen der Bundesrepublik aufmerksam machen und fordern zugleich "Reformen statt Kahlschlag".
Dazu OB Dr. Trümper: "Bundeskanzler Schröder muss jetzt sein Versprechen vom März einlösen. Die Städte und Gemeinden müssen durch die geplanten Gesetzesänderungen bei der Gewerbesteuer und bei Arbeitslosen- und Sozialhilfe nachhaltig finanziell entlastet werden!" In diesem Zusammenhang warnt Magdeburgs Stadtoberhaupt davor, den jetzt vorgelegten Kompromiss zu zerreden: "Parteitaktik sollte jetzt in den Hintergrund treten, damit es nicht zu einer Blockade der Gesetzentwürfe im Bundesrat kommt."
Grundsätzlich müsse künftig bei der Übertragung von Aufgaben an die Kommunen vorab die Finanzierung sichergestellt werden. "Die Angewohnheit, den Städten immer mehr Aufgaben aufzubürden, ohne ihnen das dafür notwendige Geld zur Verfügung zu stellen, muss endlich gestoppt werden", fordert Magdeburgs Oberbürgermeister und nennt ein aktuelles Beispiel: "Bei der Umsetzung des Grundsicherungsgesetzes zahlt Magdeburg fast zwei Mio. Euro drauf."
Hintergrund:
Mit der Umsetzung des sogenannten Grundsicherungsgesetzes zum Januar 2003 hat der Bund die Kommunen beauftragt. Das Gesetz sichert v.a. Personen ab 65 Jahren und Personen mit dauerhafter Erwerbsminderung, die kein oder nur ein geringes eigenes Einkommen haben, den Lebensunterhalt. Nach den Vorstellungen des Bundes sollte die Umsetzung vor Ort ohne personellen Mehraufwand durch die Sozialämter übernommen werden. "4.800 Anträge lassen sich jedoch nicht so nebenbei bearbeiten, so dass die Stadt vier Arbeitsplätze einrichten und mit moderner EDV ausstatten musste", erklärt OB Trümper, warum die Kosten die Erstattungen des Bundes deutlich übersteigen. "Zudem haben mehr als zwei Drittel der Anspruchsberechtigten - anders als mit dem Gesetz intendiert - zusätzlich Anspruch auf Wohngeld oder Sozialhilfe, was doppelten Verwaltungsaufwand verursacht." Insgesamt erhält Magdeburg in diesem Jahr von Bund und Land 1.309.339 Euro zur Finanzierung der Grundsicherungsleistungen. Dem stehen Kosten zur Finanzierung des notwendigen Verwaltungsaufwandes und der Zahlungen an Anspruchsberechtigte in Höhe von insgesamt 3,15 Mio. Euro gegenüber.
Magdeburg ist kein Einzelfall. Auch das Grundsicherungsgesetz ist nur ein Beispiel unter vielen. "Die Städte fordern seit langem eine Kostenfolgeabschätzung bei der Einführung neuer Gesetze und Verordnungen", so Magdeburgs Oberbürgermeister. "Wir wollen bei Gesetzgebungs- und Regelungsvorhaben beteiligt werden, wenn die Städte am Ende die Regelungen umsetzen sollen. Nach dem Grundsatz ‚Wer bestellt, der bezahlt!‘, müssen Bund und Länder künftig den Städten das nötige Geld zur Umsetzung der von ihnen beschlossenen Gesetze zur Verfügung stellen."
Die Mittel, die durch übertragene Aufgaben gebunden sind, fehlen den Städten zur Finanzierung sozialer und kultureller Leistungen vor Ort, zur Instandhaltung der städtischen Infrastruktur, zur Unterstützung von Vereinen und Verbänden. "Längst sind von der Haushaltsmisere deshalb auch die Unternehmen vor Ort, die Sozialverbände und Sportvereine, die Kulturszene und freie Träger der Jugendarbeit betroffen", erklärt Magdeburgs Oberbürgermeister die Auswirkungen des Haushaltsdefizits. "Gemeinsam mit ihnen fordern wir deshalb ‚Reformen statt Kahlschlag‘, denn ohne Kommunen ist kein Staat zu machen!"
Fakten zur Finanzlage der Kommunen:
- das Rekorddefizit der kommunalen Haushalte summiert sich auf 9,9 Milliarden Euro
- Ursache der schweren Finanzkrise sind nicht steigende Ausgaben, sondern sinkende Einnahmen, insbesondere aus der Gewerbesteuer, der wichtigsten Einnahmequelle der Städte und Gemeinden (deutschlandweit ein Rückgang um 5 Milliarden Euro seit 2000, erwartet werden 2003 Einnahmen in Höhe von 16,4 Milliarden Euro. In Magdeburg beträgt der Rückgang rund 25 %)
- Die Gesamtausgaben der Kommunen bewegen sich durch harte Konsolidierungspolitik heute etwa auf dem Niveau des Jahres 1994. Für 2003 zeichnet sich eine Stagnation bei 151 Milliarden Euro ab.
- Stetig gestiegen sind dabei die Sozialausgaben der Kommunen (Sozialhilfe, Jugendhilfe), sie liegen heute um rund 30 % über dem Niveau von 1992. Im vergangenen Jahr stiegen die Ausgaben deutschlandweit um rund 5 % auf 28,7 Milliarden Euro, in den neuen Bundesländern lag das Plus sogar bei 5,9 %. In diesem Jahr wird - bedingt durch das Grundsicherungsgesetz - ein Zuwachs von 5,6 % erwartet.
Was Kommunen leisten:
- kommunale Unternehmen decken mehr als die Hälfte des Wasser- und 40% des Strombedarfs.
- Kommunale Verkehrsbetriebe befördern jährlich 7,5 Milliarden Fahrgäste
- Jedes dritte Krankenhausbett steht in einer kommunal getragenen Klinik
- Vier Fünftel aller Museen, zwei Drittel der öffentlichen Bibliotheken und Musikschulen werden von Kommunen getragen.
- 90 % aller Schulen befinden sich in städtischer Trägerschaft - insgesamt 47.000 Schulen
- Städte und Gemeinden sind der wichtigste öffentliche Förderer der 90.000 Sportvereine in Deutschland. Davon profitieren 27 Mio. Sportler.
- 120 Theater in Deutschland werden von Kommunen getragen, noch einmal 200 regelmäßig unterstützt.
- 99 Berufsfeuerwehren werden deutschlandweit von Kommunen getragen, mehr als 24.500 freiwillige Feuerwehren unterstützt. Die Berufsfeuerwehren fuhren im vergangenen Jahr fast 1,5 Mio. Einsätze und mehr als 560.000 Krankentransporte.
Weitere Informationen zur Finanzsituation der Kommunen und zur Kampagne "Reformen statt Kahlschlag" finden Sie im Internet unter www.staedtetag.de