Magdeburg.
Mit einer Aktionskampagne unter dem Motto "Reformen statt Kahlschlag" warnen Städte und Gemeinden aus dem gesamten Bundesgebiet seit Wochen vor den Folgen eines Scheiterns der Gemeindefinanzreform. In der Landeshauptstadt Sachsen-Anhalts soll am 7. November ab 10.30 Uhr mit einer Kundgebung auf dem Alten Markt ein deutliches Signal in Richtung Landes- und Bundespolitik gesendet werden. "Ich rufe alle Magdeburgerinnen und Magdeburger auf, sich der Forderung ‚Reformen statt Kahlschlag‘ anzuschließen", so Oberbürgermeister Dr. Lutz Trümper. "Es geht um die Lebensqualität in unserer Stadt, es geht um Handlungsfähigkeit von Politik und Verwaltung - es geht letztlich um die kommunale Selbstverwaltung."
"Falls der Bundesrat am kommenden Freitag die Gesetze zur Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe und zur Reform der Gemeindesteuer kippt, steht der in den Regierungsfraktionen mühsam ausgehandelte Kompromiss wieder auf der Kippe", fürchtet Magdeburgs Oberbürgermeister Dr. Lutz Trümper. "Damit schwindet die Chance, dass sich die Finanzlage der Kommunen mit Beginn des kommenden Jahres nachhaltig verbessert."
Seit einem Jahr sind die Magdeburgerinnen und Magdeburger nahezu täglich mit der angespannten Haushaltssituation ihrer Stadt konfrontiert. Um rund ein Drittel sind die Einnahmen aus der Gewerbesteuer - der wichtigsten städtischen Einnahmequelle - eingebrochen, um rund 21 Mio. Euro hat das Land Sachsen-Anhalt seine Zuwendungen allein 2003 gekürzt. "Welche Folgen das für die Lebensqualität in unserer Stadt hat, spüren die Menschen inzwischen an vielen Stellen", ist sich OB Dr. Trümper bewusst.
"So wie bisher kann es nicht mehr weiter gehen: Einerseits kürzen Bund und Land den Kommunen die Zuschüsse, auf der anderen Seite übertragen sie den Städten neue Aufgaben, ohne die dafür nötigen Gelder bereit zu stellen", fordert Magdeburgs Stadtoberhaupt Veränderungen und nennt zwei aktuelle Beispiele:
- Mit dem KiFöG hat das Land die Modalitäten der Kinderbetreuung neu geregelt. Da die betroffenen Städte und Landkreise das Gesetz unmöglich sofort nach Inkrafttreten umsetzen konnten - z.B. mussten Tarifverträge geändert und Satzungen angepasst werden - entstanden Mehrkosten, die durch das Land nur teilweise erstattet wurden. In Magdeburg betrifft das fast eine Mio. Euro, die allein aus dem Haushalt der Stadt gedeckt werden müssen.
- Mit der Umsetzung des sogenannten Grundsicherungsgesetzes zum Januar 2003 hat der Bund die Kommunen beauftragt. Das Gesetz sichert v.a. Personen ab 65 Jahren und Personen mit dauerhafter Erwerbsminderung, die kein oder nur ein geringes eigenes Einkommen haben, den Lebensunterhalt. Nach den Vorstellungen des Bundes sollte die Umsetzung vor Ort ohne personellen Mehraufwand durch die Sozialämter übernommen werden. "4.800 Anträge lassen sich jedoch nicht so nebenbei bearbeiten, so dass die Stadt vier Arbeitsplätze einrichten und mit moderner EDV ausstatten musste", erklärt OB Trümper, warum die Kosten die Erstattungen des Bundes deutlich übersteigen. "Zudem haben mehr als zwei Drittel der Anspruchsberechtigten - anders als mit dem Gesetz intendiert - zusätzlich Anspruch auf Wohngeld oder Sozialhilfe, was doppelten Verwaltungsaufwand verursacht." Insgesamt erhält Magdeburg in diesem Jahr von Bund und Land 1.309.339 Euro zur Finanzierung der Grundsicherungsleistungen. Dem stehen Kosten zur Finanzierung des notwendigen Verwaltungsaufwandes und der Zahlungen an Anspruchsberechtigte in Höhe von insgesamt 3,15 Mio. Euro gegenüber.
"Die Kürzungen auf der einen Seite und die zusätzlichen Belastungen auf der anderen, schränken die Gestaltungsspielräume von Verwaltung und Stadtrat immer mehr ein", fasst OB Dr. Trümper das Dilemma zusammen. "Ich habe deshalb den Stadtrat und betroffene Vereine und Verbände eingeladen, an der Kundgebung am 7. November teilzunehmen und öffentlich darzustellen, was die angespannte Haushaltslage für ihre Arbeit bedeutet."
Hintergrund:
Die Kommunen in Deutschland befinden sich in der schwersten Finanzkrise seit Bestehen der Bundesrepublik. Mit einer Kampagne "Reformen statt Kahlschlag" fordern die beiden Dachorganisationen der Städte und Gemeinden - Deutscher Städtetag und Deutscher Städte- und Gemeindebund - deshalb Reformen, die die Finanzlage der Kommunen schnell und nachhaltig verbessern. Der Bundestag hat am 17. Oktober zwei Gesetze verabschiedet, die finanzielle Entlastungen versprechen - die Reform der Gewerbesteuer und die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe. Beide Gesetze stehen am Freitag im Bundesrat zur Abstimmung, die Opposition hat im Vorfeld Ablehnung signalisiert, so dass anschließend im Vermittlungsausschuss ein Kompromiss gefunden werden muss.
"Wenn Bund und Länder die Not der Städte und Gemeinden nicht wirksam lindern, droht bereits im nächsten Jahr ein beispielloser Kahlschlag bei den kommunalen Dienstleistungen", warnen die Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages und des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Dr. Stephan Articus und Dr. Gerd Landsberg. Sie machen deutlich, dass die Gefahr eines Scheiterns der Gemeindefinanzreform noch nicht gebannt sei: "Die Städte blicken mit Sorge auf die Entscheidungen des Bundesrates und im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat. Im Moment ist noch äußerst fraglich, ob bis zum Jahresende tatsächlich eine Reform der Gewerbesteuer und eine milliardenschwere Entlastung der Kommunen von den Kosten der Langzeitarbeitslosigkeit verabschiedet werden. Wir warnen entschieden davor, den Kommunen die Langzeitarbeitslosigkeit aufzubürden. Die Perspektiven für Langzeitarbeitslose würden dadurch weiter verschlechtert."
Weitere Informationen zur Finanzlage der Kommunen und zur Kampagne "Reformen statt Kahlschlag" finden Sie im Internet unter www.staedtetag.de.