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Münster, 03.12.2004

Lotharinger Kloster hatte bewegte Geschichte
Letztes Schlaun-Gebäude rund 350 Jahre alt / Kloster, Kaserne, Wohnraum und Archiv

Münster (SMS) In den vergangenen rund 350 Jahren hat das Lotharinger Kloster im Winkel von Lotharinger- und Hörsterstraße bewegte Zeiten erlebt. Von der Heimstatt der namengebenden Chorfrauen über die Nutzung als Kaserne, Wohnraum oder Stadtarchiv bis zur neuen Heimat des Standesamtes der Stadt Münster lässt sich an der Geschichte des letzten Schlaun-Gebäudes auch ein Teil der Geschichte Münsters ablesen.

Von Kriegsunruhen im Heimatland aus Lothringen vertrieben, kamen die Chorfrauen de Notre Dame 1642 nach Münster. Die Gilden der Stadt waren nicht begeistert von der Konkurrenz der Klosterfrauen, die durch ihre Mildtätigkeit manchem Handwerker das eine oder andere Geschäft vermiesten. Darum setzten die Vertretungen der Handwerker und Kaufleute beim Rat der Stadt durch, dass höchsten zwölf Chorfrauen im Kloster leben und arbeiten durften.

Allmählich wuchs deren Zahl dennoch auf 30, denn die Haupttätigkeit der Damen schrieb ihre Ordensregel vor: unentgeltlicher Unterricht der weiblichen Jugend. Eine Chance für Mädchen im 17. Jahrhundert. Es gab eine Freischule, die so genannte "Deutsche Schule", in der arme Mädchen unentgeltlich unterrichtet wurden, eine höhere Schule für junge Mädchen aus der Stadt ("Französische Schule") und ein Pensionat für auswärtige Schülerinnen. Zur Zeit der Aufhebung des Klosters im Jahr 1811 wurde mit 217 Kindern eine vergleichsweise hohe Schülerinnenzahl gezählt. Schule für Münsters Mädchen

Bis zum Erwerb des Grundstücks am Hörstertor 1655 hatten die Chorfrauen eine erste Niederlassung am Alten Steinweg. Die folgenden einhundert Jahre sorgten sie für die Bildung der weiblichen Jugend Münsters bis der Siebenjährige Krieg "die stillen Klosterfrauen aus ihrem Frieden riss und sie in tiefste Not brachte". Durch die Beschießung des Martiniviertels wurde das Kloster am 3. September 1759 vollständig eingeäschert.

Im Juli 1764 wurde der Grundstein zum Neubau gelegt, 1768 war das "neue" Kloster bezugsfertig. Der Bau der zum Kloster gehörigen Kirche konnte nach rund zweijähriger Bauzeit in Johann Conrad Schlauns Todesjahr 1773 abgeschlossen werden. Die Innenausstattung zog sich bis 1775 hin. Die Bauleitung hatte offensichtlich Schlauns Neffe und Mitarbeiter Obristleutnant Thelen. Es hat sich eine von ihm geprüfte "Specification von baumberger Stein an daß fransösche Closter" erhalten. Rote Ziegel und Baumberger Sandstein, die typischen Elemente der Schlaunschen Bauten. Schlaun selbst war zu dieser Zeit vermutlich völlig vom Bau des Residenzschlosses eingenommen.

Schlauns Tochter lebte im Lotharinger Kloster

Dennoch war ihm das Lotharinger Kloster sicher nicht gleichgültig. Denn seine Tochter Anna Maria (Maria Aloysia) war eine der Chorfrauen. Am 2. Dezember 1772 hatte Schlaun einen Vertrag mit dem Orden über die Aufnahme seiner Tochter geschlossen, die zuvor im Bonner Welschnonnenkloster gelebt hatte. Bernard Overberg, der auch Lehrer im Kloster war, schrieb nach ihrem Tod über sie: "Sie wurde von den Kindern sehr geliebt, war von Jugend auf kränklich, liebevoll gegen jedermann, dabei sehr reizbar und heftig. Sie starb am 24. November 1796 ein Viertel nach Mittag."

Overberg war von 1785 bis 1812 Lehrer im Kloster, gleichzeitig übernahm er auch die Seelsorge für die Chordamen neben der Verwaltung oder Verhandlungen mit den Behörden. Hauptsächlich aber "konnte er in der täglichen Unterrichtstätigkeit am Kloster seine Lehrart zu der Vollkommenheit entwickeln, die so viel bewundert worden ist".

Nachdem in napoleonischer Zeit 1811 der Orden der Lotharinger Chorjungfrauen aufgehoben worden war, verließen die Damen, "trotz großer Sympathien", am 3. Januar 1812 das Kloster. 1813 wurde der Beschluss rückgängig gemacht und 1825/26 endgültig vollzogen. Die Klostergebäude fielen dem preußischen Staat zu, wurden umgebaut und von der Militärverwaltung bis 1931 genutzt. Schon 1913 verkaufte der Reichsfiskus das Gelände für 144 000 Mark an die Stadt. 1920 sprach sich Provinzialkonservator Landesbaurat Körner gegen den geplanten Abriss aus. Aufgrund seines Gutachtens von 1922 wurde der Verputz abgeschlagen und die 1827 eingeschlagenen Fenster wieder beseitigt, so dass die Außenansicht des Lotharinger Klosters 1931 weitgehend wiederhergestellt war.

Militärverwaltung und Wohnungen

In diesem Jahr übernahm die Stadt die Gebäude und nutzte sie wegen des allgemeinen Mangels zu Wohnzwecken. Das Kloster brannte im Zweiten Weltkrieg aus und wurde abgetragen. Die nur leicht beschädigte Kirche war bis 1955 im kriegszerstörten Münster als dringend benötigter Wohnraum vermietet. 1961 bis 1973 wurde renoviert und die Fassade nach dem Plan Schlauns rekonstruiert. Allerdings ist nur eine Nachzeichnung des Fassadenaufrisses von 1772 aber keine Bauzeichnung des Originalzustandes vor dem Umbau zur Kaserne bekannt, so dass "sich die Rekonstruktion des Innenraumes weitgehend auf Vermutungen stützt." 1978 zog Münsters Stadtarchiv für ein Vierteljahrhundert an die Hörster Straße und bewahrte in historischen Mauern das Gedächtnis der Stadt. Im November 2003 zog das Archiv in die Speicherstadt Nord, wo jetzt es unter modernen Bedingungen der lokalen Geschichte auf den Grund geht. Der Zukunft wendet sich die neue Aufgabe des letzten Schlaunschen Kirchenbaus zu: In zwei Trausälen können sich ab sofort Paare das Ja-Wort fürs Leben geben....

Bildtext:

Das Lotharinger Kloster im Jahr 1890. Bildtext:

Das Lotharinger Kloster im Jahr 1925. In den 1960er Jahren ist die Fassade nach Schlauns Plänen rekonstruiert worden, so dass zukünftige Brautpaare über eine Freitreppe ins Eheleben schreiten können. Bildtext:

Bombenschäden im Zweiten Weltkrieg in der Hörster Straße. Vor dem Lotharinger Kloster (rechts) sind Reste von Hausrat zusammengetragen worden.

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Flüchtlingsfamilie in einer Not-Wohnung im Lotharinger Kloster, die bis 1955 bewohnt waren.


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Lotharinger Kloster 1890

Lotharinger Kloster 1925

Lotharinger Kloster Bombenschäden

Lotharinger Kloster 1955

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