Pressemeldung der Stadt Bocholt

Bocholt, 29. November 2007

"Der Erinnerung ein Gesicht geben"

Josef Niebur legt "Buch der Erinnerung, Juden in Bocholt von 1938 - 1945" vor - Übergabe am 10. Dezember 2007

Bocholt (pd).

Beim Gedenken an die Verbrechen der Pogromnacht 1938 werden sie genannt: die Namen der aus Bocholt deportierten 34 Juden. Doch kaum jemand verbindet 62 Jahre nach der Befreiung Bocholts von der NS-Diktatur noch etwas mit ihnen. Um dies zu ändern, legt Josef Niebur für den VHS-Arbeitskreis Synagogenlandschaften jetzt das „Buch der Erinnerung. Juden in Bocholt 1938 – 1945“ in zunächst einem Exemplar vor.

Im „Buch der Erinnerung. Juden in Bocholt 1938 – 1945“ sind Leben, Leidensweg und - wo bekannt – der Tag der Ermordung der jüdischen Bocholter festgehalten. Die Gedenkseiten, 35 sind jetzt fertig, sind gleich aufgebaut. Sie enthalten ein Foto des Ermordeten. Da nur sehr wenige Fotos überliefert sind, wurden historische Zeitungsausschnitte zu den Einzelnen, wo auch die nicht vorhanden sind, Fotos der Häuser eingefügt, in denen sie vor der 1939 erfolgten Einweisung in ein Judenhaus wohnten. Für die Gedenkseiten sind alle derzeit bekannten Informationen aus der Einwohnermeldekartei, den Zeitungen „Bocholter Volksblatt“ und „Grenzwarte“ und Zeitzeugeninterviews ausgewertet worden. Die Daten der Ermordung wurden dem Gedenkbuch des Bundesarchiv Koblenz und des Internationalen Suchdienstes in Arolsen sowie dem niederländischen Werk „Gedenk“ entnommen. Oft steht auch dort nur „unbekannt“.

Das Gedenkbuch enthält neben Geleitworten von Sharon Fehr, dem Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde Münster, und von Bocholts Bürgermeister Peter Nebelo eine kleine Zeitgeschichte zu „Entrechtung und Ermordung der Bocholter Juden“ sowie ein Verzeichnis aller bislang bekannten Juden, die in Bocholt geboren wurden, hier lebten oder von hier deportiert und ermordet wurden. Hier sind derzeit 124 Namen verzeichnet, bei elf weiteren Namen recherchiert Niebur derzeit noch, ob die Wohnortangabe „Bocholt“ zutrifft. Der älteste der Ermordeten ist Salomon Goedhart, Jahrgang 1860, der schon 1911 nach Aalten verzog. Von dort noch 83 jährig deportiert, wurde er am 14. Mai 1943 im Vernichtungslager Sobibor ermordet. Das jüngste Opfer ist Leo Landau, 1938 in Bocholt geboren. Er wurde am 10. Dezember 1941 in das Ghetto nach Riga deportiert und dort umgebracht. Trotz über 20 jähriger Forschungstätigkeit ist Niebur nicht sicher, ob er bereits alle ermordeten Juden, die einmal in Bocholt wohnten, in seinem Verzeichnis aufgeführt hat. So werden jetzt im Buch die Gedenkblätter der 34 direkt aus Bocholt deportierten Juden und von Amalia Marcus sein, die aus Angst am 9. Dezember 1941 Selbstmord beging. Das Erinnerungsbuch wird nach Angaben des Arbeitskreises 2008 ergänzt werden. Bei der Zusammenstellung der Dateien und Fotos sowie dem Layout des Buches halfen ihm Vanessa Freitag und Bruno Wansing vom Fachbereich Stadtentwicklung und Wirtschaftsförderung.

Der Tag der ersten Deportation aus Bocholt, der 10. Dezember 1941, jährt sich am Montag zum 66. Male. An diesem Tag wird deshalb das „Buch der Erinnerung Bocholter Juden 1938 – 1945“ an Bürgermeister Peter Nebelo übergeben. Stellvertretend für den VHS-Arbeitskreis „Synagogenlandschaften“ wird es von Benno Simoni überreicht. Simoni stammt aus Berlin und ist dort stellvertretender Vorsitzender der Synagogengemeinde Berlin - Sukkat Schalom -. Er ist der Großneffe der am 24. Januar 1942 von Bocholt nach Riga deportierten und dort ermordeten Regina Seif. Nebelo wird dieses Buch weiterreichen an Werner Koop, dem Regionaldirektor der Vereinigten IKK. In der dortigen Schalterhalle im Haus des Handwerks, Europaplatz 17, wird das „Buch der Erinnerung ab Dienstag, 11. Dezember 2007, für jeden zur Ansicht ausliegen. Auf dem Grundstück stand bis 1942 die Synagoge der israelitischen Gemeinde Bocholt.

Die Stunde der Erinnerung zur Übergabe des Erinnerungsbuches beginnt am Montag, 10. Dezember 2007 um 16 Uhr im Ratssaal des neuen Rathauses am Berliner Platz.


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Buch der Erinnerung
Josef Niebur (re) mit dem "Buch der Erinnerung", bei dem ihm die städtischen Mitarbeiter Vanessa Freitag und Bruno Wansing (2.v.l.) vom Fachbereich Stadtentwicklung und Wirtschaftsförderung und Johannes Hüls vom Fachbereich Schule, Bildung und Kultur geholfen haben.
Foto: Sven Betz