Am kommenden Dienstag (9. Juni) findet um 16.00 Uhr am Tor des ehemaligen Frauen-Konzentrationslagers in der Liebknechtstraße 65 eine Veranstaltung zum Gedenken an die über 3000 Frauen und 600 Männer statt, die bis zum April 19945 in dieses Lager deportiert worden waren. Editha Beier, Gleichstellungsbeauftragte der Landeshauptstadt Magdeburg und Ariel Lototzki, Gemeinderabbiner, werden Worte des Gedenkens sprechen.
Zur Erinnerung an die Errichtung dieses Außenlagers des Frauen-KZ Ravensbrück bzw. des KZ Buchenwald durch die Rüstungswerke der Polte AG Magdeburg im Juni 1944, wird am Dienstag ein Gebinde der Frauen des Politischen Runden Tisches Magdeburg niedergelegt.
Der Großteil der ehemaligen Häftlinge überlebte die Deportationszeit und das Massaker 1945 am Stadion Neue Welt nicht.
Das Amt für Gleichstellungsfragen der Landeshauptstadt Magdeburg und der Politische Runde Tisch der Frauen Magdeburg laden interessierte Bürgerinnen und Bürger zu dieser Gedenkveranstaltung ein.
Hintergrund
Inmitten der Wohn- und Arbeitersiedlung des Stadtteiles Wilhelmstadt (heutiges Stadtfeld) wurde am 14. Juni 1944 auf Verlangen der Betriebsführung des Hauptwerkes der Polte OHG in der heutigen Liebknechtstrasse ein KZ-Außenlager für Frauen errichtet. Es stand anfangs unter der Leitung des KZ Ravensbrück und wurde im September 1944 dem KZ Buchenwald zugeordnet.
Die Mehrzahl der Häftlinge waren anfangs nichtjüdische Frauen aus der Sowjetunion - ab November 1944 kamen dann Jüdinnen aus Ungarn, Polen, Litauen, Lettland, Rumänien und Österreich hinzu. Auch Frauen aus Italien, Jugoslawien und Tschechien waren unter den Häftlingen.
Insgesamt waren etwa 3.100 Frauen und ab November 1944 auch 600 Männer unter furchtbaren Bedingungen und katastrophalen Verhältnissen in diesem Lager interniert und in der Polte OHG in den verschiedenen Abteilungen z.B. für die Munitionsproduktion als Zwangsarbeiterinnen eingesetzt. Die Häftlinge standen unter ständiger Aufsicht - jeder Fehler bei der Arbeit und im Lager hatte Knüppel- oder Peitschenhiebe zur Folge. Arbeitsunfälle waren an der Tagesordnung.
Im März 1945 wurde vor den Augen aller Häftlinge im Lager ein junges russisches Mädchen wegen angeblicher Sabotage erhängt. Die SS ließ das ermordete Mädchen zur Abschreckung 24 Stunden lang hängen.
Wer nicht mehr einsatzfähig war, wurde in eines der Stammlager nach Auschwitz, Bergen-Belsen oder Ravensbrück zur Ermordung zurückgeschickt.
Am 13. April 1945, wenige Tage vor der amerikanischen Besetzung Magdeburgs, wurde das KZ Außenlager Polte evakuiert. Angehörige des Volkssturmes, unter ihnen viele Hitler-Jungen, und SS trieben die Frauen in Marschkolonnen in das Stadion „Neue Welt“. Dort gerieten sie unter amerikanischen Beschuss. Der panische Versuch der Frauen zu fliehen, wurde von den deutschen Bewachern mit einem Kugelhagel beantwortet. Bei diesem Massaker wurden hunderte weibliche Häftlinge ermordet. Die Todesmärsche nach Ravensbrück und Sachsenhausen kosteten nochmals Hunderte das Leben. Von den 3100 weiblichen Häftlingen des KZ Polte Lager Magdeburg überlebten am Ende nur knapp 600.
(Quelle: Pascal Begrich, „Stadtgeschichte in der NS-Zeit“ Beitrag zum 60. Jahrestag der Errichtung des Frauen KZ Polte Werke, 2004 )
Die Frauen des Politischen Runden Tisches der Stadt Magdeburg führen seit 2006 jährlich an dem noch stehenden Tor in der Liebknechtstraße eine Gedenk-veranstaltung durch und ließen 2008 eine zusätzliche Tafel mit Informationen zur Geschichte des Lagers anbringen.