Pressemeldung der Stadt Bocholt

Bocholt, 21. Mai 2010

Erstmals Nachfahren Bocholter Juden in Bocholt

Wolfgang Euler mit seiner Familie im Rathaus empfangen

Bocholt (pd).

Bürgermeister Peter Nebelo empfing am Freitag, 21. Mai 2010, mit Wolfgang Euler erstmalig einen Nachfahren Bocholter jüdischen Glaubens im Rathaus. Wolfgang Euler war gemeinsam mit seiner Frau, seinen Neffen und Ehegattin sowie einer Enkeltochter nach Bocholt gekommen.

Trude Euler, die Großmutter von Wolfgang Euler, ist die Tochter des Ehepaares Amalie und Leopold Markus, die im Jahr 1937 von Duisburg nach Bocholt zogen. Die Mutter von Amalie Markus geb. Meyer war in Bocholt geboren. Nach dem Verkauf des Hauses zog das Ehepaar Markus am 8. Dezember 1939 nach Köln und kehrte bereits am 11. Januar 1940 nach Bocholt in das Judenhaus Bahnhofstraße 16 zurück. Am 18. Oktober 1941 erließ die Staatspolizeileitstelle Münster u. a. an den Oberbürgermeister Bocholt die Aufforderung, dass 26 Juden am 10. Dezember 1941 nach Münster zu bringen seien. Hievon würden sie „nach dem Osten“ deportiert. Am Vortag unternahm Amalia Markus den Versuch eines Freitodes. Sie trank aus Angst vor dem Ungewissen, das die Deportation für sie bedeutete, essigsaure Tonerde. Hieran starb sie am 16. Dezember 1941 im Krankenhaus Rhede. Am 10. Dezember 1941 wurde Leopold Markus nach Riga deportiert. Er überlebte das mörderische Leben im Ghetto 16 Monate. Im März 1943 erlag er den im Ghetto Riga herrschenden unmenschlichen Lebensverhältnissen.

 

Das Kind des Ehepaares, Trude Euler, verzog vor 1938 nach Duisburg und floh von dort aus über die Niederlande nach Cali, Kolumbien. Dort lebt heute noch Wolfgang Euler, der Sohn von Trude Euler, mit seiner Gattin.

 

Diese und viele weitere Informationen, die der Familie Euler zum Teil bekannt oder auch unbekannt waren, wurden an diesem Morgen ausgetauscht. Insbesondere berichtete Wolfgang Euler über die schreckliche Situation der Familie bei der Ankunft in Südamerika. In Zelten lebten sie zunächst, so Euler, und das gemeinsam mit Nazis, die ebenfalls aus Deutschland gekommen waren.

 

Bürgermeister Peter Nebelo machte in seiner Begrüßung deutlich, dass die Stadt Bocholt der Aufarbeitung und der Erinnerung der Geschichte zur Verfolgung der Juden eine große Bedeutung – gerade für junge Menschen – beimisst. So berichtete er der Familie Euler, dass Schülerinnen und Schüler sich für die Aktion „Stolpersteine“, die vor den Häusern der ehemaligen Mitbürgerinnen und Mitbürger jüdischen Glaubens liegen, eingesetzt haben. Auch die Gedenkveranstaltungen zum 9. November auf dem Platz, wo die Bocholter Synagoge gestanden hat, werden, so Nebelo, maßgeblich von jungen Menschen mit gestaltet. Bei dem Empfang waren auch Reinhold Sprinz, Hermann Oechtering und Josef Niebur von der Arbeitsgemeinschaft Synagogenlandschaft der Volkshochschule anwesend.

 

Nach dem Empfang im Rathaus besuchte die Familie Euler zunächst das Haus in der Ludgerusstraße 4, in der Amalie und Leopold Markus wohnten, und kamen kurz am Haus Nr. 7 in der gleichen Straße, in der das Ehepaar Markus vom 2. Mai bis zum 8. Dezember 1939 von Nachbarn aufgenommen wurde, da das Haus Nr. 4 - wohl unter Zwang - verkauft wurde, vorbei.

 

Anschließend besuchten sie den Standort der Bocholter Synagoge und zeigten sich tief betroffen über die Zerstörung der Synagoge in der Reichsprogromnacht. Ein Abstecher zum jüdischen Friedhof im Rahmen einer Stadtrundfahrt beschloss den Besuch.

 

„Wir kommen wieder“, sagte Juan Carlos Mera Euler, der diese Begegnung maßgeblich mit organisiert hatte zu Josef Niebur. Dieser freute sich sehr über die Zusage und hofft nun, dass ein erneuter Besuch zum 9. November 2010 erfolgen kann. Dann könnte die Gedenkveranstaltung auch um einen musikalischen Beitrag erweitert werden, denn Juan Carlos ist nicht nur Nachfahre der Familie Markus, sondern auch ein bekannter Opernsänger, der seit vielen Jahren in Deutschland lebt und arbeitet.

Pressekontakt: Stadt Bocholt - Fahrradfreundlichste Stadt Deutschlands, Fachbereich Zentrale Verwaltung, Partnerschaftsbeauftragte Petra Taubach, Telefon +49 2871 953-328, E-Mail: petra.taubach@mail.bocholt.de


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Besuch Mera Euler
Am 21. Mai 2010 empfing Bocholts Bürgermeister Peter Nebelo (4.v.l.) Mera Euler (3.v.l.) und seine Familie - Foto: Bruno Wansing, Stadt Bocholt