Historischer Kettenschleppdampfer „Gustav Zeuner“ steht zur Besichtigung offen
Mittwochs bis sonntags von 10.00 bis 15.00 Uhr
Der historische Kettenschleppdampfer „Gustav Zeuner“ kann seit dem gestrigen Mittwoch besichtigt werden. Die Öffnungszeiten des Museumsschiffes sind mittwochs bis sonntags von 10.00 bis 15.00 Uhr. Führungen mit einer Demonstration des Antriebes gibt es 10.00, 12.00 und 14.00 Uhr. Der Eintritt ist frei.
Die offizielle Einweihung in Anwesenheit von Oberbürgermeister Dr. Lutz Trümper erfolgte am 11. November 2010. Der 1894 gebaute Kettenschleppdampfer war zuvor von Mitarbeitern der städtischen Beschäftigungsgesellschaft GISE in mühevoller Kleinarbeit und mit viel Liebe zum Detail originalgetreu restauriert worden. Als Museumsschiff soll die „Gustav Zeuner“ jetzt zu einem Anziehungspunkt im Wissenschaftshafen werden.
Der Kettenschleppdampfer wurde 1894 in Dresden gebaut. Bei einer Länge von 55,13 m und einer Breite über die Spanten von 8,42 m betrug der Tiefgang leer 0,7 m und beladen 0,95 m. Charakteristisch für die „Gustav Zeuner“ waren die zwei verschiedenen Antriebsmöglichkeiten. Der erste Antrieb über das Bellingrathsche Greifrad und eine in der Elbe liegende Kette wurde bevorzugt für die Fahrt stromaufwärts eingesetzt. Die Kette wurde vom Bugausleger aufgenommen, lief über die Kettenrinne durch das Greifrad, welches einen Durchmesser von 2,32 m hatte, und wurde über den Heckausleger wieder in den Fluss abgesenkt. Die beweglichen Bolzen des Greifrades fassten dabei in die Kettenglieder, wodurch sich der Dampfer an der Kette entlang ziehen konnte.
Mit dem zweiten Antrieb, zwei Wasserstrahlturbinen nach Zeunerscher Bauart, konnte der Dampfer auch außerhalb der Kette laufen, was die Manövrierfähigkeit erheblich verbesserte und ihn in die Lage versetzte, auch außerhalb der Kette rückwärts zu fahren. Sowohl Greifrad als auch die beiden Turbinenpropeller wurden durch zwei Dampfmaschinen mit zusammen 180 PS angetrieben.
Die „Gustav Zeuner“ verkehrte von 1895 bis 1931 auf der Elbe. Danach wurde der Kettenschleppdampfer an den Magdeburger Fährmann Michaelis verkauft und diente – am Salbker See auf Fundamente gesetzt und mit hölzernen Aufbauten versehen – unter anderem als Umkleidekabine für eine Badeanstalt, Vereinsheim und Sportbootsschuppen. Im Laufe der Jahre war der Schiffskörper aber auch dem Vandalismus und Verfall preisgegeben.
2005 hatten die Jobcenter ARGE Magdeburg GmbH und die städtische Beschäftigungsgesellschaft für Innovation, Sanierung und Entsorgung (GISE) unter Mitwirkung der Stadtverwaltung den Wiederaufbau des Kettenddampfers vereinbart. Ziel war es, dieses einmalige technische Denkmal, welches schiffs- und maschinentechnische Meisterleistungen einer ganzen Epoche in sich vereint, dauerhaft der Nachwelt zu erhalten und zugänglich zu machen.
Am 1. Juli 2005 begann die Beräumung und Entkernung des Schiffskörpers. Der Rumpf wurde in 17 Sektionen zerteilt und per Schwerlasttransport in eine Werkhalle umgesetzt. Am 1. Juli 2006 wurde mit der Sanierung der „Scheiben“ begonnen. Weil außer den Resten des Rumpfes nichts mehr vom Kettenschleppdampfer vorhanden war, mussten auch das gesamte Innenleben und die Aufbauten nach historischem Vorbild neu gebaut werden. Als Grundlage dafür standen nur der Rumpf, das Buch über die Kettenschifffahrt von Zesewitz-Düntzsch-Grötschel sowie eine Zusammenstellungszeichnung und Einzelansichten zu den Hauptbaugruppen zur Verfügung. Deshalb mussten für das gesamte Schiff auch Konstruktionsunterlagen neu erstellt werden.
Die sanierten Segmente des Rumpfes wurden anschließend zum Wissenschaftshafen transportiert und dort wieder miteinander verschweißt. Parallel dazu erfolgte die Fertigung der Ausrüstungen und Bauteile für den Innenausbau und die Decksaufbauten. Zu Demonstrationszwecken kann über die Dampfmaschinen mit Hilfe von Druckluft das Bellingrathsche Greifrad angetrieben und die Wirkungsweise anschaulich dargestellt werden.
In den vergangenen fünf Jahren waren rund 150 GISE-Mitarbeiter in mehreren aufeinander folgenden arbeitsförderlichen Projekten mit dem Wiederaufbau beschäftigt. Gefördert wurden diese Maßnahmen durch die Landeshauptstadt Magdeburg und die Jobcenter ARGE Magdeburg.
Als Vertreter einer markanten Epoche der Schifffahrt auf der Elbe und Beispiel hervorragender Ingenieurkunst kann mit dem Museumsschiff „Gustav Zeuner“ jetzt der einzige erhaltene historische Kettenschleppdampfer besichtigt werden.
Hintergrundinformationen
Die Epoche der Kettenschleppdampfer nimmt in der Entwicklung der Binnenschifffahrt einen bedeutenden Platz ein. Kettenschleppdampfer ersetzten die kleinen, vollständig aus Holz gebauten Elbeschiffe mit einer Tragfähigkeit von etwa 50 Tonnen, die zur Fortbewegung Wind, Strömung, Treidler oder Zugtiere nutzten, sowie die noch technisch unzureichenden Radschleppdampfer, die zudem die kaum regulierten Flüsse nicht oder nur unter großen Schwierigkeiten befahren konnten. Dagegen konnte mit Kettenschleppdampfern dem auf Grund der industriellen Revolution entstandenem Engpass im Transportwesen auf den Binnengewässern begegnet werden. Die Schleppkette, Voraussetzung für den Einsatz der Schleppdampfer, lag in der Blütezeit über eine Länge von 734 km von Hamburg bis Melnik in der Elbe.
1838 nahm die Magdeburger Dampfschiffahrts-Compagnie, die mit ihrer Maschinenfabrik Buckau außerdem zu den Begründern des Schwermaschinen- und Anlagenbaus der Stadt gehörte, den Dienst zwischen Magdeburg und Hamburg auf. In Buckau wurde 1866 mit dem Kettendampfer „No 1“ der erste seiner Art in Deutschland gebaut. Er nahm im selben Jahr den Betrieb auf.
Mit dem Kettenschleppdampfer „Gustav Zeuner“ wurde 1894 der erste Vertreter der zweiten Generation gebaut. Neben dem Antrieb über das Kettenrad und das Bellingrathsche Greifrad verfügte es mit zwei Wasserstrahlturbinen über eine zweite Antriebsmöglichkeit.
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