Türöffner in die Vergangenheit
Erinnerungswand im Altenhilfezentrum lenkt den Blick auf das Thema Demenz
Menschen, die an Demenz erkrankt sind, vergessen phasenweise das Heute und leben oft im Gestern. Wer mit ihnen ins Gespräch kommen will, braucht Türöffner in die Vergangenheit. An der Erinnerungswand im Verwaltungstrakt des Altenhilfezentrums Bernhard Eberhard hängen ganz viele davon - alte Plattenhüllen, Filmplakate, Zeitungsausschnitte, ein Päckchen Strumpfhalterlaschen und andere Zeugnisse längst vergangener Tage. Mit der Wand möchte das Seniorenbüro der Stadt Hanau schon jetzt den Blick auf das Thema der Aktionstage „Demenz in unserer Mitte“ lenken, die vom 21. bis 29. September stattfinden.
„Pack die Badehose ein, nimm dein kleines Schwesterlein und dann nischt wie raus nach Wannsee.“ Diesen Schlager aus dem Jahr 1951 trällerten nicht nur die Seniorinnen und Senioren, als sie gemeinsam mit städtischen Auszubildenden die Erinnerungswand bestückten und eine Schallplattenhülle mit dem Konterfei von Cornelia Froboess befestigten. „Den alten Ohrwurm kannten auch die jungen Leute“, erzählt Barbara Heddendorp vom Seniorenbüro. Sie hatte die Idee zu der Erinnerungswand. Sie entstand im Rahmen des Freiwilligentags der Stadt Hanau im vergangenen Jahr.
In der Arbeit mit an Demenz erkrankten Menschen sind es neben der Musik vor allem optische Reize wie das Sammelsurium an der hölzernen Wand, die Zugänge zu den Gefühlen schaffen und damit eine Kontaktaufnahme ermöglichen. Das bestätigt auch Petra Brugger, die das Altenhilfezentrum leitet, in dem Demenzkranke in Hausgemeinschaften leben. „Mancher erwacht aus seiner Lethargie, wenn sich jemand zu ihm setzt und mit ihm alte Postkarten betrachtet“, erzählt sie.
Die Erinnerungswand sei aber nicht in erster Linie für Erkrankte da, betont Michael Stegmann, der Leiter des Hanauer Seniorenbüros. „Sie soll ein Blickfang sein, der den Betrachter zum Perspektivwechsel anregt und das Thema Demenz auf eine Ebene hebt, die nicht sofort mit negativen Gefühl einhergeht.“ Die Wand verführt dazu, in die Vergangenheit einzutreten, entweder in die eigene oder die der Eltern und Großeltern. Mit den schönsten Melodien von Hermann Prey, den Schlagern von Roy Black, dem Film „Der blaue Engel“ mit Marlene Dietrich, den Slapsticks von Dick und Doof oder dem Bösen-Buben-Ball der Hanauer Carnevalsgesellschaft vom 12. Februar 1955, wovon eine Eintrittskarte erzählt.
„Viele reden von Demenz“, sagt Petra Brugger, „aber sie wissen oft nicht, in welcher Welt die Erkrankten leben, in der die Gegenwart mehr und mehr schwindet.“ Mit der Erinnerungswand in ihrem Haus möchte sie gemeinsam mit Barbara Heddendorp und Michael Stegmann dafür sensibilisieren, das Gespräch mit Angehörigen zu suchen und ihren Geschichten zu lauschen. „Wer diese Schätze als Angehöriger nicht kennt und bewahrt“, weiß Petra Brugger, „kann später, wenn eine Demenz ausbrechen sollte, mit den Erinnerungsfragmenten der Betroffenen nichts mehr anfangen“. Diese Biografiearbeit ist mittlerweile ein fester Bestandteil in der Arbeit mit alten Menschen. „Wir würden uns freuen“, sagt Initiatorin Barbara Heddendorp, „wenn wir mit unserer Erinnerungswand einen Anstoß geben, dass sich Jung und Alt gemeinsam auf eine sicherlich interessante Reise in die Vergangenheit begeben.“
Pressekontakt: Stadt Hanau, Andrea Freund, Telefon 06181/295-488
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Petra Brugger und Barbara Heddendorp vor der Erinnerungswand im Altenhilfezentrum Bernhard Eberhard. Foto: Stadt Hanau
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