"Es geht um Leid und Gewalt"

Seit Herausgabe des Bandes 49 der Schriftenreihe Kreis Viersen "Kempen unterm Hakenkreuz" ist ein gutes halbes Jahr vergangen. Sie sind der Autor des Werks. Was hat das Buch aus Ihrer Sicht bislang bewegt?
Viele Menschen haben mir gesagt, jetzt erst hätten sie verstanden, was Nationalsozialismus eigentlich bedeutete und warum viele Menschen so anfällig waren für diese Ideologie. Zeugen jener schlimmen Zeit erlebten sie noch einmal und gewannen eine neue Sicht für die Ereignisse in ihrer damaligen Umgebung. Ein Leser schrieb mir: „Für mich persönlich (geb. 1934) war die Wiederbegegnung mit Menschen aus meiner Kindheit und Jugend in Ihrem Buch besonders bewegend: Lehrer, Nachbarn und Mitbürger wurden wieder lebendig, mir auch in ihren Entwicklungen verständlicher.“

Ein Buchautor ist daran interessiert, sein Werk möglichst vielen zur Kenntnis zu bringen, letztlich zu verkaufen. Welche Argumente sagen Sie potenziellen Käufern, für "Kempen unterm Hakenkreuz" 29,90 Euro zu investieren und 667 Seiten zu lesen?
Das Buch hat die Absicht, eine finstere Zeit, in der viele sich schuldig gemacht haben, sachlich und differenziert darzustellen. Es will nachdenklich machen – vor allem über die Frage: „Wie hätte ich damals gehandelt?“ Es will zeigen, dass auch der angeblich ‘anständige’ Mensch die Grenzen des Anstandes leicht überschreiten kann, wenn die Grundregeln sich ändern. Wenn sich ein Wertesystem entwickelt hat, das unmenschliches Verhalten als notwendig und sogar verdienstvoll darstellt. Insofern will das Buch dazu aufrufen, sich der Folgen seines Handelns bewusst zu werden. Es geht darum, sich ein eigenes Urteil zu bilden und politische Entwicklungen zu hinterfragen. Es geht einfach darum, an der eigenen Mündigkeit zu arbeiten.

Ende des Jahres kommt Band 2 in der Schriftenreihe zum gleichen Thema heraus, erneut mit dem Autor Dr. Hans Kaiser. Geben Sie uns einen Vorgeschmack, worauf muss sich die Leserschaft einstellen?
Im ersten Band wurden ja die Stationen der nationalsozialistischen Machtergreifung beschrieben, die Strukturen der NS-Organisationen und die Gründe, warum ein großer Teil der Bevölkerung Hitler willig, oft auch begeistert folgte. Jetzt geht es vor allem um die Kehrseite der Nazi-Herrschaft: um Leid und Gewalt. Im Zentrum stehen die Verfolgung und Ermordung der Juden und anderer Opfergruppen. Aber auch die durch den Krieg verursachten Leiden der einheimischen Bevölkerung, die der anfänglichen Begeisterung folgten, sollen zur Sprache kommen. Viele erschreckende Dinge über „Kempen im Krieg“ werden mitgeteilt werden und viele bekannte Namen. So werden im Anhang die 671 Kriegsopfer – Soldaten und Luftkriegstote – aufgeführt, gegliedert nach den Anlässen ihres Todes. Eine andere Tabelle verzeichnet die 120 Kempener Juden, die von den Nazis verfolgt wurden, und ihre Schicksale; bisher waren 82 bekannt. Von Zwangssterilisierung und „Euthanasie“ wird die Rede sein. Im Kapitel über die "Arisierung" wird mancher Leser seine Vorfahren wiederfinden, wie sie sich an jüdischem Besitz bereichert haben. Ich hoffe, es wird ein Buch, das man nicht so schnell aus der Hand legt.