Drei weitere Stolpersteine erinnern an das Schicksal Magdeburger Opfer des Nationalsozialismus
Erinnerungsmale werden am kommenden Dienstag verlegt
Magdeburg.
Zum 22. Mal werden in Magdeburg Stolpersteine zur Erinnerung an Opfer des Nationalsozialismus gesetzt. Der Arbeitskreis „Stolpersteine für Magdeburg“ verlegt gemeinsam mit Angehörigen der Opfer sowie Spendern dieser Erinnerungsmale am 11. November insgesamt drei neue Stolpersteine. Interessierte Magdeburgerinnen und Magdeburger sind eingeladen, an den Einweihungen teilzunehmen und der Opfer zu gedenken.
„Mit den drei neuen Stolpersteinen erinnern wir an das individuelle Schicksal von Magdeburgerinnen und Magdeburgern, die während der NS-Zeit deportiert und ermordet wurden", so Oberbürgermeister Dr. Lutz Trümper. „Wir gedenken damit ehemaliger Mitbürger und setzen ein weiteres Zeichen gegen das Vergessen der Nazidiktatur in unserer Stadt."
Eduard Nussbaum wird am 17. Juli 1878 in Borken (Hessen) geboren. Vor seiner Inhaftierung durch die Nazis am 10. November 1938 wohnt der gelernte Bankkaufmann in der Straßburger Straße 14 in Magdeburg. Zunächst in das Konzentrationslager Buchenwald verschleppt, wird er im Mai 1939 im Konzentrationslager Sachsenhausen inhaftiert. Dort wird Eduard Nussbaum am 20. März 1940 ermordet.
Sara Reisel Weinberg, genannt Rosa, wird in Ulanów geboren, einem kleinen Ort in Galizien, der heute zu Polen gehört. Ende des 19. Jahrhunderts heiratet sie den Kaufmann Jacob Koppel Weinberg, der ebenfalls in Ulanów geboren ist. Magdeburg wird ihre neue Heimat. Das Ehepaar bekommt vier Kinder. Seit 1900 ist für Jacob Weinberg die Teilhabe an dem Eiergroßhandel „Salomon, Hornig & Weinberg“ in der Großen Mühlenstraße 7a (später 11/12) belegt. Nach seinem Tod am 16. Dezember 1923 führt seine Witwe Rosa das Geschäft zusammen mit einem Teilhaber unter dem Namen „Weinberg & Co. Eierimport und Großhandlung“ weiter. Sie ist fortan Eigentümerin des Hausgrundstücks in der Großen Mühlenstraße sowie eines weiteren großen Hauses in der Königstraße 65. Nachdem Rosa Weinberg ihres Geschäftes und ihres Besitzes beraubt worden ist, wird sie am 11. Juli 1942 ins Warschauer Ghetto deportiert und im Juli 1942 in Treblinka ermordet. Da ihren Kindern vorzeitig die Flucht gelingt, leben heute mehrere Urenkel Rosa Weinbergs in den USA und in Israel.
Daniel Decourdemanche, genannt Jacques Decour, wird am 21. Februar 1910 in Paris geboren. Mit 18 Jahren beginnt er Germanistik zu studieren. 1930 erscheint seine erste Erzählung „Le Sage et le Caporal“ („Der Weise und der Gefreite“) – unter dem Pseudonym Jacques Decour. Der Franzose verehrt die deutsche Sprache und Kultur so sehr, dass er 1930/1931 für ein halbes Jahr als Austauschlehrer nach Magdeburg geht. Nach seiner Rückkehr nach Paris schreibt er über seine Eindrücke und Erlebnisse im Domgymnasium und in der Stadt Magdeburg das Buch „Philisterburg“. Nach dem Überfall der deutschen Wehrmacht auf Frankreich im Mai 1940 dient Decour in der französischen Armee, kommt im Juli nach Paris zurück und schließt sich im November 1940 der Résistance an. In dieser Zeit ist er Mitherausgeber wichtiger Untergrundblätter wie „L’Université libre“ und „La Pensée libre“. Am 17. Februar 1942 wird Jacques Decour von den Nationalsozialisten inhaftiert und am 30. Mai 1942 in Paris ermordet.
Die drei Stolpersteine werden am kommenden Dienstag in folgender Reihenfolge verlegt: für Eduard Nussbaum (10:30 Uhr, Straßburger Straße 14 – heute: Listemannstraße, zwischen Weitling- und Gustav-Adolfstraße), für Sara Reisel (Rosa) Weinberg (ca. 11:00 Uhr, Große Mühlenstraße 11/12 – heute: Neustädter Straße, Ecke Faßlochsberg) und für Jacques Descour (ca. 12:00 Uhr, Hegelstraße 5 – Ökumenisches Domgymnasium). Ab 15:00 Uhr empfängt Oberbürgermeister Dr. Lutz Trümper mehrere Nachfahren aus dem In- und Ausland zur Eintragung in das Gästebuch der Stadt im Alten Rathaus.
Am 12. November, um 16:00 Uhr, findet in der Stadtbibliothek Magdeburg eine Lesung aus Jacques Descours Buch „Philisterburg“ statt. Die Veranstaltung wird gemeinsam von der Stadtbibliothek und der Arbeitskreis „Stolpersteine für Magdeburg“ angeboten. Alle interessierten Bürgerinnen und Bürger sind herzlich willkommen. Der Eintritt ist frei.
Mit der Verlegung der neuen Stolpersteine steigt die Gesamtzahl dieser Erinnerungsmale im Stadtgebiet auf nunmehr 392. In die Messingoberfläche sind die Namen und biografischen Daten der Opfer, der Zeitpunkt der Deportation und der Deportationsort eingraviert.
Seit 1997 setzt der Kölner Künstler Gunter Demnig diese zehn mal zehn Zentimeter großen Betonquader mit eingelassener Messingplatte in den Boden vor ehemalige Wohnhäuser und Wirkungsstätten von Opfern des Nationalsozialismus.
Finanziert werden die Erinnerungsmale ausschließlich durch Spenden. „Die Bereitschaft, mit Spenden die Patenschaft für die Stolpersteine zu übernehmen, verdient Dank und Anerkennung. Je mehr Menschen dieses Projekt mit einer Spende unterstützen, umso mehr Steine können weiterhin verlegt werden", wirbt Dr. Lutz Trümper gleichzeitig auch für die künftige Unterstützung in der Bürgerschaft.
Ein Stein kostet 120 Euro. Hinzu kommen 25 Euro für die Dokumentation in einem „Magdeburger Gedenkbuch“, das möglichst viele Angaben über Leben und Schicksal der ermordeten Menschen aufnimmt. Das Buch wird zusammengetragen von Vereinen, Initiativen, Schulklassen sowie Einzelpersonen und widmet sich der Spurensuche nach dem Lebensweg der Ermordeten.
Spenden für künftige Verlegungsaktionen von Stolpersteinen können auf folgendes Konto überwiesen bzw. eingezahlt werden: Kontoinhaber: Landeshauptstadt Magdeburg, IBAN: DE02 8105 3272 0014 0001 01, BIC: NOLADE21MDG, Verwendungszweck: 37 99 43 11/Stolpersteine
Für Fragen und weitere Informationen zu den Stolpersteinen stehen die Mitarbeiter des Kulturbüros der Stadtverwaltung unter der Rufnummer 0391 540-2134 zur Verfügung.
Hintergrundinformationen Der Magdeburger Stadtrat hat 2005 auf Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen beschlossen, sich der Möglichkeit des Erinnerns und Gedenkens durch so genannte Stolpersteine vor Hauseingängen und auf Gehwegen anzuschließen, von denen es mehr als 35.000 in über 750 Städten und Gemeinden in Deutschland und anderen Ländern Europas gibt.
Einen regelmäßig aktualisierten Stadtplan mit den Verlegeorten der Stolpersteine und weitere Informationen sind im Internet unter www.magdeburg.de/stolpersteine zu finden.
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