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Münster, 19.06.2002

Aus dem Leben des "Zementkönigs" ten Hompel
Biografie von Corinna Fritsch lenkt Blick auf das westfälische Großbürgertum der Weimarer Republik / Reihe "Villa ten Hompel-Schriften"

Münster. (SMS) Mit einer Biografie über den den Großunternehmer und Politiker Rudolf ten Hompel schließt der Geschichtsort Villa ten Hompel eine Forschungslücke zur Geschichte des herrschaftlichen Gebäudes am Kaiser-Wilhelm-Ring in Münster und lenkt den Blick zugleich auf die Historie des Großbürgertums in Westfalen. Corinna Fritsch, freie wissenschaftliche Mitarbeiterin der Einrichtung, hat dazu in der Reihe "Villa ten Hompel-Schriften" den Band "Rudolf ten Hompel. Aus dem Leben eines westfälischen Industriellen und Reichstagsabgeordneten" vorgelegt (208 Seiten, 19,90 Euro, Klartext-Verlag). Er ergänzt den ersten Schriften-Band "Im Auftrag. Polizei, Verwaltung und Verantwortung", der den Katalog zur Dauerausstellung des Hauses darstellt und gleichzeitig den Blick auf das pädagogisch-wissenschaftliche Profil der Einrichtung lenkt.

Der Münsteraner Zementindustrielle und Reichstagsabgeordnete Rudolf ten Hompel war Bauherr und Namensgeber der Villa mit ihrer bewegten Geschichte: Nach dem finanziellen Zusammenbruch des ten Hompelschen Wicking-Konzerns ging sie in staatlichen Besitz über, wurde zwischen 1940 und 1968 zum Ort nationalsozialistischen Unrechts wie auch der späteren Wiedergutmachung an den Opfern des NS-Regimes und ist heute als "Geschichtsort Villa ten Hompel" ein Ort des Erinnerns, Forschens und Lernens.

Corinna Fritsch spürt mit der Publikation dem wirtschaftlichen und politischen Werdegang des Großunternehmers nach und beleuchtet sowohl den Privatmann ten Hompel als auch die Unternehmerfamilie. Am Beispiel des Münsteraners gerät die Lebensform und Lebensführung eines Mannes in den Blick, der als exemplarischer Repräsentant des wirtschaftlichen Großbürgertums der Weimarer Republik gelten kann.

Der Großunternehmer

Nach einer breit gefächerten Ausbildung in Maschinenbau, Volkswirtschaftslehre und in der internationalen Textilbranche löst der 1878 in Recklinghausen geborene Rudolf ten Hompel kurz vor dem Ausbruch des 1. Weltkrieges seinen Vater als Alleinvorstand der Wicking’schen Portland-Cement- und Wasserkalkwerke ab. Unter seiner resoluten, egozentrischen und risikofreudigen Führung als Generaldirektor expandiert die Firma mit Verwaltungssitz in Münster durch den Aufkauf fremder Werke zum größten Zementkonzern im Deutschland der 20er Jahre. Darüber hinaus ist Rudolf ten Hompel auch Mitglied zahlreicher Aufsichtsräte, Vorstände und Verwaltungsausschüsse, Präsidiumsmitglied des Reichsverbandes der Deutschen Industrie und Ehrendoktor der Universität zu Münster.

Der Politiker: Von Münster nach Berlin

Rudolf ten Hompels selbstbewusstes Engagement innerhalb der katholischen Zentrumspartei beschert ihm zudem eine steile politische Karriere, die ihn auch nach Berlin führt. Er steigt schon bald als Experte in wirtschafts- und finanzpolitischen Fragen in Partei und Fraktion zum Sprecher des einflussreichen Unternehmerflügels in die Führungsspitze des Zentrums auf und ist von 1920 bis 1928 Abgeordneter im Reichstag.

Die Villa ten Hompel: Architektur der Selbstinszenierung

Seiner wirtschaftlichen und politischen Stellung entsprechend gestaltet Rudolf ten Hompel auch sein gesellschaftliches Auftreten und seine private Lebensführung. Auch wenn der weitläufige Barockgarten der Villa nicht mehr existiert, vermittelt das in den Jahren 1924 bis 1928 erbaute repräsentative Anwesen am Kaiser-Wilhelm-Ring mit seiner klassizistisch-barocken Fassade und der prunkvollen architektonischen Innengestaltung heute immer noch einen Eindruck vom herrschaftlichen Lebensstil der Industriellenfamilie.

Hier leben ab 1928 Rudolf ten Hompel und seine Frau Johanna mit den jüngsten der insgesamt sechs Kinder. Die vom Ehepaar ausgerichteten aufwändigen Gesellschaften, die exquisiten Freizeitvergnügungen der Kinder und die ausgedehnten Reisen der gesamten Familie stoßen bei außenstehenden Münsteraner Zeitgenossen auf Missbilligung und Neid.

Scheitern der Konzernpolitik

Es ist die Zeit der beginnenden steilen wirtschaftlichen Talfahrt, der dramatischen Verschärfung ökonomischer Verteilungskämpfe und sozialer Unsicherheit. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass der kostspielige Lebensstil der ten Hompels dem Generaldirektor den Ruf eines verschwenderischen und selbstgefälligen Lebemannes einbringt. Auch macht sich Rudolf ten Hompel durch sein rücksichtsloses Geschäftsgebaren und sein forsches öffentliches Auftreten nicht besonders beliebt.

Die Schadenfreude ist daher auch unverhohlen, als der Wicking-Konzern im Juli 1931 durch unverantwortliche Investitionen im In- und Ausland und durch den Zusammenbruch der Hauptgläubigerbank in Zahlungsschwierigkeiten gerät. Rudolf ten Hompel muss einer Übernahme seines Zement-Imperiums durch die Dyckerhoff-Zementwerke Wiesbaden unter hohen finanziellen Verlusten und dem Verzicht auf seine Führungsposition zustimmen.

Aus der Villa ins Gefängnis

Der einst in Industrie und Politik allseits gefragte Mann zieht sich gezwungenermaßen von allen bedeutenden öffentlichen Ämtern zurück. Mehrfach ringt er noch vergeblich um Anerkennung seiner früheren wirtschafts- und finanzpolitischen Leistungen. Dass er dabei in den Anfangsjahren des Dritten Reiches auch den Kontakt zu den Nationalsozialisten sucht und Hitler vollkommen unterschätzt, hat er mit vielen bedeutenden Männern aus Industrie und Wirtschaft gemeinsam.

Mit der Situation gesellschaftlicher Geringschätzung und Bedeutungslosigkeit ist jedoch bei weitem nicht der Tiefpunkt im Leben Rudolf ten Hompels und seiner Familie erreicht. Im Jahr 1935 kommt es im Zusammenhang mit dem Konzernzusammenbruch gegen den ehemaligen Generaldirektor zu einem Aufsehen erregenden Prozess vor dem Landgericht Münster, an dem die Münsteraner Öffentlichkeit großes Interesse nimmt. Der 57-jährige wird wegen Veruntreuung, Konkursvergehen und Vermögensverschiebung zur Zahlung von 22 000 Reichsmark und einer Haftstrafe von drei Jahren verurteilt, die jedoch Ende 1937 zur Bewährung ausgesetzt wird.

Von Münster nach München

Nach Rudolf ten Hompels Haftentlassung und mehrmonatigen Krankenhaus- und Kuraufenthalten entschließt sich das Ehepaar ten Hompel, Münster zu verlassen. Unter bisher nicht geklärten Umständen gelangt die Münsteraner Villa spätestens Anfang 1940 in den Besitz des Reichsfiskus, und die Familie ten Hompel siedelt nach München über. Hier knüpft Rudolf ten Hompel schon bald freundschaftliche Verbindungen zu dem Jesuitenpater Dr. Alfred Delp, der als Mitglied des Kreisauer Kreises zum deutschen Widerstand zählt.

Nach der Befreiung vom NS-Regime nimmt Rudolf ten Hompel die unterbrochene Niederschrift seiner politischen Erinnerungen und Gedanken wieder auf. Sie beschäftigen sich vor allem mit seinen eigenen politischen Leistungen, mit dem Ende der Weimarer Republik und mit der Zukunft Deutschlands. 1948 stirbt der ehemalige Münsteraner Zementkönig im Alter von 70 Jahren.

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