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Magdeburg, 25. März 2008
10 Jahre Arbeit für Menschen mit Behinderungen
Behindertenbeauftragter Hans-Peter Pischner zu Ergebnissen und Problemen der kommunalen Behindertenpolitik

Magdeburg.

Am 1. April 2008 begeht der Magdeburger Behindertenbeauftragte Hans-Peter Pischner sein 10-jähriges Dienstjubiläum in dieser Funktion. Aus diesem Anlass äußert er sich zu Ergebnissen und Problemen seiner Arbeit und zur Situation der Magdeburger mit Handicap.

 

Eine aktive Politik für die Integration und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen wird staatlicherseits und auch von Städten und Gemeinden erst seit Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre betrieben, nachdem eine breitere Bewegung für ein selbstbestimmtes Leben von Menschen mit Behinderungen entstanden war. Zuvor gab es nur einige Spezialverbände für  einzelne Gruppen behinderter Menschen wie Gehörlose, Blinde oder Menschen mit geistiger Behinderung, während Behinderte ansonsten meist Objekte der Fürsorge und Wohltätigkeit waren und vielfach in Anstalten lebten, lernten oder arbeiteten.

 

Inzwischen hat sich die gesellschaftliche Wahrnehmung deutlich verändert. Ausdruck dessen sind die Aufnahme eines Benachteiligungsverbotes für Menschen mit Behinderungen in das Grundgesetz (1994) und die Verabschiedung von Gleichstellungsgesetzen auf Landes- und Bundesebene (seit 2001). Auch das Sozialgesetzbuch IX (Rehabilitation und Teilhabe)  war ein Fortschritt. Diese Regelungen gilt es, in der Praxis umzusetzen und zu gestalten, was nicht einfach ist, weil es sich nicht um „knallharte Verpflichtungen“ handelt, sondern vielfach um „butterweiche Absichtserklärungen“, wie Pischner meint.

 

Der Magdeburger Stadtrat  trug der Entwicklung Rechnung und beschloss bereits 1996 die Schaffung der Stelle eines hauptamtlichen Behindertenbeauftragten in der Stadtverwaltung. Seine Aufgabe ist es, die Bedürfnisse und Interessen von Menschen mit Behinderungen in der Kommunalpolitik, der Verwaltung und gegenüber der Öffentlichkeit geltend zu machen und als Ansprechpartner und Berater für Betroffene und Angehörige zur Verfügung zu stehen.

 

Seit dem 1. April 1998 nimmt Hans-Peter Pischner, der selbst seit den 80er Jahren behindert ist und zuvor als Leiter einer Beratungsstelle für Blinde und Sehbehinderte tätig war, diese Aufgabe wahr.

 

Im Rückblick auf die vergangenen 10 Jahre sieht Pischner sowohl handfeste Ergebnisse und Fortschritte als auch Probleme und Handlungsbedarf für die Zukunft.

 

 

Als Ergebnis kann verbucht werden, dass sich die Landeshauptstadt im Jahre 2003 zu den Prinzipien der Erklärung von Barcelona „Die Stadt und die Behinderten“  bekannt hat. Danach bekunden seit 1995 zahlreiche europäische Städte ihre Bereitschaft, alles in ihrer Zuständigkeit Mögliche zu tun, um die soziale Integration behinderter Menschen zu fördern und Barrieren aller Art abzubauen, nicht nur bei öffentlichen Gebäuden oder Verkehrsmitteln, sondern auch beim Zugang zu Bildung, Kultur oder Arbeit. Der Magdeburger Stadtrat hat dazu bereits 2001 Leitlinien und inzwischen in zweiter Auflage eine Dringlichkeitsliste für Projekte im Bau- und Verkehrsbereich beschlossen.

 

Auf diesem Gebiet sind die Erfolge am augenfälligsten: So gut wie alle städtischen sowie öffentlich zugänglichen Gebäude, die in den letzten 10 Jahren neu gebaut oder saniert wurden, sind weitgehend barrierefrei gestaltet, man denke an das Alte Rathaus, viele Dienstgebäude der Stadt und des Landes, Kultureinrichtungen (Stadtbibliothek, Konservatorium, Kulturhistorisches Museum, Schauspielhaus,  Moritzhof, Festung Mark), dazu mehrere Schulen,  Kindereinrichtungen und Sportanlagen.

 

Die derzeit realisierten und geplanten Schulsanierungsprojekte (IZBB-Programm und PPP-Lösungen) werden weitgehend barrierefrei geplant. Ein aktuelles Beispiel für eine gelungene   bauliche Lösung ist die Gestaltung rund um die neue Fürstenwallbrücke oder den Hof der Möllenvogtei (Haus der Romanik).

 

Auch im städtischen Verkehrsraum und bei den MVB gelangen vielfältige Fortschritte im Hinblick auf die barrierefreie Zugänglichkeit und Nutzbarkeit des ÖPNV, wenn auch noch viel zu tun bleibt. Erst kürzlich konnten die 72 Niederflurfahrzeuge der Straßenbahn mit mobilen Rollstuhl-Rampen  nachgerüstet werden, auch die Busse sind weitgehend mit Rampen  ausgestattet, während eine Vielzahl von Haltestellen hochbordig ausgebaut wurden.

 

Der Behindertenbeauftragte und die 1999 gegründete kommunale Arbeitsgruppe für die Belange behinderter Menschen waren an diesen positiven  Entwicklungen aktiv beteiligt.

 

Größere Probleme sieht Pischner dagegen auf dem Gebiet der Arbeitsförderung für Menschen mit Behinderungen und im Bildungsbereich. Während die beiden Werkstätten für behinderte Menschen in der Stadt sich überaus erfolgreich entwickelten - sie betreuen derzeit rund 800 behinderte Menschen - stehen die Chancen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für behinderte Menschen eher schlecht. Daran hat auch die  etwas günstigere Entwicklung der letzten beiden Jahre wenig geändert.

 

Pischner verlangt seit Jahren, die Betreuung Hunderter behinderter Hartz-IV-Betroffener durch die Jobcenter Arge GmbH zu verbessern, die auf diesen Personenkreis kaum eingestellt ist. Sorge bereitet auch, dass behinderte Menschen ein deutlich größeres und zunehmendes Risiko  tragen, in Armut zu leben, was ihre Teilhabechancen  minimiert.

 

Im Bereich der schulischen Bildung, die allerdings weitgehend Landessache ist, sieht Pischner erheblichen Handlungsbedarf. Nirgendwo in Deutschland und darüber hinaus läuft man als Schüler mit gesundheitlichen und sozialen Benachteiligungen  so sehr wie in Sachsen-Anhalt Gefahr, an eine Sonderschule zu kommen, was die Aussichten einer späteren beruflichen Entwicklung und eines selbstbestimmten Lebens drastisch reduziert. Auch in Magdeburg besuchen viel zu viele Schüler eine von aus seiner Sicht zu vielen Förderschulen, so Pischner. Dies betrifft vorrangig die Förderschulen für Lernbehinderte. Stattdessen müsste der gemeinsame Unterricht bei individueller, sonderpädagogischer Förderung ausgebaut und zur Regel werden.

 

Ein weiteres Feld, das Sorgen bereitet, ist die gesundheitliche Versorgung für behinderte Menschen (und nicht nur sie), insbesondere im Bereich der niedergelassenen Ärzte. Dies bezieht sich sowohl auf  Facharzttermine, als auch auf die mangelnde barrierefreie Erreichbarkeit und Zugänglichkeit  vieler Praxen.

 

Pischner will in den nächsten Tagen seinen 10. Jahresbericht vorstellen, in dem auf diese und weitere Fragen detaillierter eingegangen wird. Der Behindertenbeauftragte möchte ausdrücklich darauf hinweisen, dass die Verbesserungen der Lebenssituation für behinderte Menschen in Magdeburg einer Vielzahl von Mitwirkenden zu verdanken sind, seien es Verantwortliche in der Kommunalpolitik, darunter viele Stadträte, Mitarbeiter der Stadtverwaltung, aber auch viele besonders engagierte und zumeist ehrenamtlich tätige Mitglieder der städtischen Behinderten-AG. Ihnen allen dankt er  ausdrücklich für ihr Engagement und ihre Mitarbeit in den vergangenen 10 Jahren.

 

 

Hintergrund:

In Deutschland leben derzeit rund 6,8 Millionen Menschen mit einer amtlich anerkannten Schwerbehinderung, das sind 8,2 % der Bevölkerung, in Sachsen-Anhalt leben ca. 171.600 Betroffene (7,1 %).

 

In der Landeshauptstadt sind mit Stand vom Dezember 2007 rund 17.000 Menschen amtlich als Schwerbehinderte anerkannt (7,4 %), einschließlich der Behinderten mit einem Grad der Behinderung (GdB) unter 50 sind  rund 25.000 Menschen betroffen (11 %). Entgegen dem Bundestrend und der offensichtlichen demographischen und medizinischen Entwicklung sind diese Zahlen in Magdeburg  rückläufig, was u.a. mit der Anerkennungspraxis der zuständigen Stellen  erklärt werden kann.

 

Von den Magdeburger Schwerbehinderten sind rund 10.000 in ihrer Mobilität wesentlich beeinträchtigt (Merkzeichen aG und G), 361 sind blind, 195 gehörlos und ca. 4.000 haben Anspruch auf die Mitnahme einer Begleitperson (Merkzeichen B). Als hilflos gelten knapp 2.000 Menschen (Merkzeichen H). Rund 60 % der Betroffenen sind bereits 65 Jahre und älter. 53,3 % der Behinderten sind weiblich, wobei dieser Anteil mit zunehmendem Lebensalter ansteigt. Mehr als 6.000 Einwohner sind pflegebedürftig, rund 2.500 von ihnen werden in stationären Einrichtungen gepflegt.

 

 

Nähere Informationen:

Hans-Peter Pischner, Behindertenbeauftragter, Telefon 0391/540 2342, Fax 0391/540 2491,

E-Mail: behindert@magdeburg.de



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