Um etwas gegen die steigende Zahl an Studienabbrechern zu unternehmen und die frühzeitige Berufsorientierung auch in den Gymnasial-Zweigen der Gesamtschulen und Gymnasien zum Thema zu machen, unterstützen der Regionalausschuss Region Kassel der Industrie- und Handelskammer (IHK) Kassel-Marburg und der Landkreis Kassel gemeinsam das Pilotprojekt „Verbesserung der Berufs- und Studienorientierung“ für Schüler mithilfe des Coaching-Tools Berufliche Orientierung/Berufliche Interessen (CT-BOBI). Dieses wird mit der Gesellschaft für Personaldienstleistungen mbH, einer Einrichtung der Handels- und Dienstleistungsverbände, an drei Schulen im Landkreis Kassel als Pilotvorhaben umgesetzt: an der Albert-Schweitzer-Schule in Hofgeismar, an der Heinrich-Grupe-Schule in Grebenstein und an der Integrierten Gesamtschule in Kaufungen. Das Coaching-Verfahren wird bereits seit einigen Jahren mit großem Erfolg an den Baunataler Schulen eingesetzt und wurde im Zuge der OloV-Strategie (s. Hintergrund) weiterentwickelt.
Die IHK unterstützt das CT-BOBI-Projekt mit 7000 Euro aus dem Fördertopf der IHK-Initiative zur Verbesserung der Ausbildungsreife und Vertiefung der Berufsorientierung (s. Hintergrund). Mit weiteren 4000 Euro beteiligt sich der Landkreis Kassel, damit eine größere Zahl an Schülern das Coaching durchlaufen kann.
„Das Thema Berufsorientierung ist in aller Munde“, betont der stellvertretende Vorsitzende des IHK-Regionalausschusses Region Kassel, Stefan Bönning (Schuhhaus Bönning, Hofgeismar). „Die steigende Zahl der Studienabbrecher zeigt, dass es augenscheinlich noch eine Lücke im System der Berufsorientierung an den Schulen gibt. Wenn Jugendliche nach der Schule eine ihren Neigungen entsprechende Ausbildung oder ein Studium beginnen, so ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass der berufliche Einstieg gelingt. Die regionale Wirtschaft wird von den Ergebnissen des Pilotvorhabens profitieren.“ Der Regionalausschuss freue sich, ein so innovatives Projekt der OloV-Steuerungsgruppe finanziell zu unterstützen.
„Die Vielfalt und Komplexität der beruflichen Möglichkeiten, die sich für Schüler und Schülerinnen mit Abitur eröffnen, sind regelrecht erschlagend. Umso wichtiger ist es, sich zu Beginn des Berufswahlprozesses sehr genau mit den eigenen beruflichen Interessen zu beschäftigen“, sagt Ulrike Beutnagel, Regionale OloV-Koordinatorin für den Landkreis Kassel. „Sind die bekannt, kann der Berufswahlprozess viel zielgerichteter erfolgen. Entsprechend der eigenen Begabungspotenziale den passenden beruflichen Platz finden - das sei nicht nur für den jungen Menschen von großer Bedeutung, sondern auch mit Blick auf den demografischen Wandel ein Gebot der Stunde, so Beutnagel. „Mit Hilfe des CT-BOBI ermitteln wir berufliche Interessen und Neigungen der Jugendlichen weit über deren bisherigen Kenntnishorizont hinaus, um ihnen einen passgenauen Zugang in das Berufsleben zu ermöglichen.“
Bereits im Mai konnten 63 Schüler des Jahrgangs 8 der Heinrich-Grupe-Schule das Coaching-Tool mit individueller Auswertung und das anschließende Coaching-Gespräch nutzen. Anfang Juli ist das Testverfahren ebenfalls an der Integrierten Gesamtschule in Kaufungen im Jahrgang 9 realisiert worden. Nun kommt der Jahrgang zwölf der Albert-Schweizer-Schule hinzu. Insgesamt werden nach Abschluss des Pilotvorhabens über 300 Schüler mehr über ihre beruflichen Interessen und Neigungen wissen. Sie können ihre berufliche Zukunft – Ausbildung, Studium oder Duales Studium – besser planen und sich gezielt auf Eignungstests oder berufliche Anforderungen vorbereiten.
„Wir haben von den Jugendlichen sehr positive Rückmeldungen erhalten“, zieht Dirk Schöttelndreier, Geschäftsführer der Gesellschaft für Personaldienstleistungen aus Kassel, ein erfreuliches Zwischenfazit. „Viele haben gänzlich neue Berufsfelder für sich entdeckt, die sich jenseits der gängigen Ausbildungsberufe bewegen und können dadurch auch ihre Chancen auf einen passgenauen Ausbildungsplatz deutlich erhöhen. Eltern und Lehrer sind begeistert von der aussagefähigen Dokumentation der Ergebnisse des Coaching-Tools, mit denen hervorragend der weitere Prozess im Rahmen der Berufs- und Studienorientierung unterstützt werden kann.“ Anja Mohr, die das Verfahren an den Schulen durchführt, berichtet, dass die Jugendlichen insbesondere das individuelle Coaching-Gespräch nutzen, um Informationen für ihren persönlichen Werdegang zu erhalten.
Bei dem Testverfahren CT-BOBI handelt es sich um ein effizientes Instrument, welches die beruflichen Interessen inhaltlich präzise beschreibt und eine aussagekräftige Basis zur beruflichen Orientierung liefert. Basierend auf insgesamt 158 Fragen, die berufliche Tätigkeiten oder Aufgabenbereiche als Inhalte präsentieren, schätzen die Schüler ihre Präferenzen jeweils auf einer Skala ein. Als Ergebnis des Fragebogens erhält jeder Jugendliche eine detaillierte Aufschlüsselung seiner individuellen beruflichen Interessensbereiche. Für die drei stärksten Interessensbereiche erfolgt eine entsprechende Zuordnung von typischen Ausbildungsberufen und Studiengängen, in denen die interessierenden Tätigkeiten häufig ausgeführt werden. Ergänzend liefert das CT-BOBI-Verfahren Informationen über die berufsspezifischen Kompetenzen, die den Berufsbereichen als Anforderungen zu Grunde liegen und zum Beispiel bei Eignungsprüfungen getestet werden.
In der Vergangenheit standen lernschwächere Schüler in Haupt- und Realschulen im Fokus vieler Berufsorientierungsprojekte. Unter dem Dach der hessischen OloV-Strategie ist an zahlreichen nordhessischen Schulen viel zur Förderung dieser Zielgruppe unternommen und erreicht worden. Berufsorientierung für Schüler in (Real- und) Gymnasial-Zweigen der Gesamtschulen beziehungsweise in Gymnasien stand hingegen bisher kaum im Fokus, obwohl dies erklärtes Handlungsfeld der hessischen Fachkräftesicherungsstrategie und Bestandteil der hessischen OloV-Strategie ist.
Hintergrund: die OloV-Strategie
OloV steht für „Optimierung der lokalen Vermittlungsarbeit im Übergang Schule-Beruf" und ist ein zentrales Thema des Hessischen Paktes für Ausbildung. OloV will regional Strukturen schaffen, stabilisieren und dauerhaft verankern, in denen Jugendliche beim Übergang von der Schule in den Beruf unterstützt werden. Durch Kooperation und Koordination der Ausbildungsmarktakteure sollen junge Menschen schneller in Ausbildung vermittelt sowie Parallel- und Doppelstrukturen vermieden werden. In der OloV-Steuerungsgruppe Stadt und Landkreis Kassel sind die regionalen Ausbildungsmarkt-Akteure vertreten. Dort werden OloV-Strategien und Ziele vereinbart sowie regionale Projekte initiiert.
Hintergrund: die IHK-Initiative Ausbildungsreife und Berufsorientierung
Die IHK Kassel-Marburg hat die Initiative zur Verbesserung der Ausbildungsreife und Vertiefung der Berufsorientierung ins Leben gerufen, um vor dem Hintergrund der demografischen Prognosen eigene Maßnahmen zu entwickeln, die dem Fachkräftemangel bei den IHK-zugehörigen Unternehmen möglichst früh entgegenwirken. „Die IHK Kassel-Marburg sieht ihre wirtschaftspolitische Aufgabe als Vermittler zwischen den Bedürfnissen der Wirtschaft und der Bildungspolitik“, erläutert IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Walter Lohmeier. „Die Verbesserung der Ausbildungsreife ist im Kern die Herausforderung an die Schulen selbst, wobei die Wirtschaft beziehungsweise ihre Organisationen unterstützende Strukturen fördern können.“ Das Verbessern der Berufsorientierung ist dagegen typische Aufgabe eines Übergangsmanagements zwischen Schule und Wirtschaft, die der unternehmerischen Wirtschaft auch eine unmittelbare Rolle zuweist.
Das Parlament der regionalen Wirtschaft, die IHK-Vollversammlung, hat das Projekt „IHK-Initiative Ausbildungsreife und Berufsorientierung“ im Jahr 2010 einstimmig bewilligt. Das Gesamtbudget während der Projektlaufzeit beträgt 1,5 Millionen Euro.
Allgemeine Fragen zur IHK-Initiative? Dr. Michael Ludwig, Projektbeauftragter, Tel. 05651 7449-56, E-Mail: ludwig@kassel.ihk.de
Pressekontakt: Pressestelle LANDKREIS KASSEL, Harald Kühlborn
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