(SMS) In einer zweiteiligen Ausstellung präsentiert das Stadtmuseum Münster bis zum 28. Juni das differenzierte und vielschichtige Werk der Textilkünstlerin Hanne-Nüte Kämmerer (1903 - 1981). Die 1903 in Dessau geborene Künstlerin kam 1929 nach Münster, um als Assistentin in der Mal- und Textilklasse von Joos Jaspert zu lehren.
In der Ausstellung werden sowohl ihre herausragenden künstlerischen Arbeiten im Bereich der Stickerei, der Näh- und plastischen Spitze als auch ein eigener Ausstellungsteil zu den Westfalenstoffen präsentiert. Das so genannte Hähnchenmuster ist heute ein Klassiker. Es wird seit fast 75 Jahren gedruckt und ist nicht nur in Westfalen unter Textilliebhabern bekannt.
Neue und unkonventionelle Gestaltungswege
Ihre beeindruckende künstlerische Entwicklung, markiert durch neue und unkonventionelle Gestaltungswege auf der Grundlage einer überaus souveränen Handhabung der Techniken im Bereich der Stickerei und der Nähspitze, wurde durch die Verleihung zahlreicher Preise honoriert. So erhielt Kämmerer beispielsweise 1954 den Staatspreis Bayerns, 1962 den Staatspreis Hessens, 1965 den Staatspreis des Landes Nordrhein-Westfalen für kunsthandwerkliches Schaffen im Werkbereich "Textil". Im selben Jahr wurde sie auch zur Professorin ernannt. 1973 erhielt sie das Verdienstkreuz 1. Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland.
Schon bevor Kämmerer nach Münster kam, hatte sie sich als Stickerin selbständig gemacht und einen eigenen Handwerksbetrieb aufgebaut. Mit einer kurzen Unterbrechung in den 1940er Jahren war Hanne-Nüte Kämmerer über nahezu vier Jahrzehnte lang verantwortlich für die Lehre der Stickerei und des textilen Druckmusterentwurfs an der Werkkunstschule Münster. Ihre zentrale Aufgabe sah sie in der Erziehung zu kreativem Arbeiten auf höchstem Niveau, und sie engagierte sich intensiv für die berufliche Etablierung ihrer Schülerinnen.
Darüber hinaus hatte sie gemeinsam mit Joos Jaspert bereits im Jahr 1935 die Werkstatt für Westfalenstoffe gegründet, die sie bis 1972 leitete und mit immer neuen Entwürfen bereicherte. Ihre beiden Schülerinnen Herta Drunkenmölle und Grete Spuida führten den Berieb und musterten ebenfalls für die Werkstatt für Westfalenstoffe. 1939 verstirbt Joos Jaspert, und 1943 steigt Herta Drunkenmölle aus, so dass bis zum Tod von Grete Spuida 1970 die beiden verbleibenden Textilkünstlerinnen die Geschicke der Firma gemeinsam lenkten.
Klassiker "Hähnchenmuster"
Bekannt ist der Klassiker "Hähnchenmuster" von Hanne-Nüte Kämmerer, der noch heute auch über Deutschland hinaus Anklang bei Stofffreunden findet. Neben den im Blaudruckverfahren erstellten Wandbehängen, Tischdecken und Läufern wurde auch Meterware nicht nur für Kinderkleidung entworfen. Ebenso gehörten seit den 1950er Jahren zeitgeistige Stoffe für Gardinen oder Damenoberbekleidung zum Angebot.
Gleichzeitig entwickelte Hanne-Nüte Kämmerer eine neue Technik im Bereich der plastischen Spitze: Sie schuf mit hoher Präzision neue abstrakte und filigrane Skulpturen. Mit Leihgaben aus Köln, Detmold und Nürnberg wird die Bedeutung ihres Gesamtwerks eindrücklich vor Augen geführt.
Die Dreidimensionalität der Spitze lässt konkrete Dinge wie beispielsweise schlichte Kelche als schwebende Skulpturen erscheinen. Mit dem Porträt Konrad Adenauers aus dem Jahr 1964 ist es Hanne-Nüte Kämmerer erstmals gelungen, aus weißem Leinengarn ein lebendiges Werk zu schaffen, das ausdrucksvolle und unverkennbare Porträtzüge trägt.
Hanne-Nüte Kämmerers plastische Nähspitzen – diesen Begriff prägte sie selbst – sind Skulpturen von berührender Vielschichtigkeit und Eleganz, die in ihrer Differenziertheit und Leichtigkeit keinen Vergleich mit den Meisterwerken zeitgenössischer Skulptur zu scheuen brauchen.
Auch in Münster und Umgebung sind noch zahlreiche Objekte ihrer langen Schaffenszeit zu sehen. Ihre religiösen Motive auf so genannten Antependien (Altar- und Kanzelbehängen) inspirieren noch heute die Besucher in vielen Kirchen des Münsterlandes. Dabei wird besonders Hanne-Nüte Kämmerers Sinn für eine zurückhaltende, aber wirkungsvolle Kombination unterschiedlicher Materialien, Farben und variantenreicher Sticktechniken deutlich.
Fotos:
- Das klassische "Hähnchenmuster" kleidet Elefanten… Foto: Stadt Münster. Veröffentlichung mit dieser Pressemitteilung honorarfrei.
- … wie Puppen. Foto: Stadt Münster. Veröffentlichung mit dieser Pressemitteilung honorarfrei.
- Hanne-Nüte Kämmerer um 1970. Foto: Lippisches Landesmuseum Detmold. Veröffentlichung mit dieser Pressemitteilung honorarfrei.
- Porträt Konrad Adenauer (1964). Plastische Nähspitze. Foto: Museum für angewandte Kunst, Köln. Veröffentlichung mit dieser Pressemitteilung honorarfrei.
- "Schwebende Kelche" (1967). Plastische Spitze. Foto: Lippisches Landesmuseum Detmold. Veröffentlichung mit dieser Pressemitteilung honorarfrei.
- Perlenkränze (1962). Foto: Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg. Veröffentlichung mit dieser Pressemitteilung honorarfrei.
- Antependium Pfingsten (1964). Foto: Stadt Münster. Veröffentlichung mit dieser Pressemitteilung honorarfrei.
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