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Münster,30.10.2009

"Rettet Jan Baegert!"
Restaurierung des ältesten städtischen Kunstbesitzes / Ausstellung im Stadtmuseum / Ein fehlendes Gemälde in Privatbesitz entdeckt

(SMS) Der älteste städtische Kunstbesitz wird zurzeit im Stadtmuseum Münster sehr aufwändig restauriert. Die im Museum erhaltenen 14 hölzernen Gemälde des namhaften spätmittelalterlichen Künstlers Jan Baegert (ca. 1465 - ca. 1535) waren ursprünglich Flügel eines großen Altaraufsatzes mit Szenen aus dem Marienleben und aus der Passion Christi. Die Frühwerke des Künstlers stammen aus der Zeit um 1505 / 1510.

Die Ausstellung "Rettet Jan Baegert!" präsentiert bis März 2010 die originalen Altartafeln und dokumentiert die umfassenden Restaurierungsarbeiten. Ein Glücksfall erweitert die Ausstellung um ein fünfzehntes Gemälde, "Der Tempelgang Mariens" wurde erst kürzlich in Privatbesitz wieder entdeckt.

"Die Werke von Jan Baegert sind von hohem kunsthistorischem Wert und für den städtischen Kunstbesitz von herausragender Bedeutung, da durch die Täuferbewegung 1534 / 1535 sämtliche Kunst und Archivalien zerstört wurden und die Tafeln so eines der wenigen Zeugnisse der Kunst aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts im Bestand des Stadtmuseums ist", unterstreicht Museumsleiterin Dr. Barbara Rommé.

Einblick in die Arbeitsabläufe

Über die Jahrhunderte entstanden durch unsachgemäßen Umgang zunehmend Schäden an den wertvollen Gemälden auf Eichenholztafeln, die deren dauerhaften Erhalt massiv gefährdeten. Mitten im Arbeitsprozess gibt nun das Stadtmuseum Einblick in die Konservierungs- und Restaurierungsmaßnahmen. Dabei werden die einzelnen Arbeitsabläufe von der Abnahme der Rückseitenverstärkung bis hin zur feinsten Retusche auf der originalen Malerei detailliert dargestellt. Außerdem gibt ein Film den Besucherinnen und Besuchern einen informativen Überblick über die Maßnahmen.

Die 14 Tafeln des Stadtmuseums und zwei zugehörige Gemälde - heute in Privatbesitz - waren ursprünglich Bestandteile eines großformatigen Altaraufsatzes. Das Flügelpaar dieses zerstörten Retabels zeigte in geschlossenem wie in geöffnetem Zustand jeweils einen abgeschlossenen Bildzyklus. Im zugeklappten Zustand sind die acht Szenen aus dem Marienleben, die das Leben der Gottesmutter wiedergeben von ihrer Geburt über den Tempelgang, die Vermählung mit Josef, die Verkündigung, die Heimsuchung, die Geburt Christi und die Darstellung im Tempel bis zur Krönung Mariens.

Zwei abgeschlossene Bilderzyklen

Die Innenseiten der Flügel - die so genannten Feiertagsseiten - waren nur an wenigen Tagen des Jahres sichtbar. Sie zeigten die christologischen Themen: Einzug in Jerusalem, Letztes Abendmahl (eine heute vermisste Tafel), Christus am Ölberg und Geißelung Christi sowie die Erscheinung Christi unter den Aposteln, die Himmelfahrt Christi, die Ausgießung des Hl. Geistes und das Jüngste Gericht. Die Auswahl der Szenen macht deutlich, dass im Mittelteil dieses Altaraufsatzes die Kreuzigung dargestellt sein musste, die als wichtigste Heilstat sonst fehlen würde.

Der Marien- und der Passionszyklus, ursprünglich je acht Gemälde umfassend, boten den Gläubigen zu Beginn des 16. Jahrhunderts klar komponierte Szenen. Die sind durch die Konzentration auf die Hauptpersonen im Vordergrund für den Betrachter schnell erfassbar. Die Flügel wurden wahrscheinlich schon im 18. Jahrhundert auseinandergesägt und zeittypisch gerahmt, so dass 16 einzelne Gemälde entstanden. "Diese Maßnahme wurde möglicherweise durchgeführt, um Dekorationsmaterial für das 1731 gestiftete Hospital St. Clemens zu erhalten", vermutet Rommé.

Wichtig ist die Stabilisierung des Bildträgers

Ein zentraler Aspekt des Restaurierungsprojektes war deshalb die Behandlung der Rückseiten der Tafeln. Die Gemälde wurden nach der Spaltung behandelt; so wurden etwa die Rückseiten abgehobelt und zur Begradigung der Tafeln mit einer angeleimten Parkettierung versehen (einer Leistenkonstruktion aus fest verleimten Längsleisten und beweglichen Querleisten). Die Parkettierung schränkte allerdings die natürlichen Dehnungen des hölzernen Bildträgers ein, was unwiderrufliche Schäden nach sich zog. Die Auswirkungen wurden auch auf der Vorderseite in der Malschicht sichtbar und zerstörten teilweise die Darstellungen.

Um die Kunstwerke zu erhalten, musste einerseits durch die Abnahme der Parkettierung die Ursache der Schäden beseitigt werden und andererseits die Sicherung der erhaltenen originalen Malerei erfolgen. Die einzelnen, sehr zeitaufwändigen, Arbeitsabläufe werden detailliert präsentiert und zeigen, wie spannend Restaurierungsarbeiten sind, die im Allgemeinen hinter den Kulissen geschehen.

Die Restaurierung im Stadtmuseum Münster wurde vom Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen, dem Landschaftsverband Westfalen-Lippe, dem Förderverein Stadtmuseum Münster, der Sparkasse Münsterland Ost, der WestLB und der Provinzial Versicherung gefördert.

Zur Ausstellung erscheint ein Katalogheft, wo die wesentlichen Aspekte der aufwändigen Restaurierungsarbeiten anschaulich zusammengefasst werden (9 Euro).

Abbildungen:

  • Jan Baegert, Einzug in Jerusalem. Öl auf Eichenholz, 1505 / 1510. Foto: Stadt Münster. Veröffentlichung mit dieser Pressemitteilung honorarfrei.

  • Festigung der Malschicht: Zunächst wird das Klebemittel mit dem Pinsel aufgetragen, bevor die Malschichtpartikel unter Einfluss von Wärme auf dem Träger fixiert werden. Als Zwischenlage dient Japanpapier. Im Detail des Gemäldes "Einzug in Jerusalem" wird dies ersichtlich. (Katalog, S. 43, Abb. 14) Foto: Stadt Münster. Veröffentlichung mit dieser Pressemitteilung honorarfrei.

  • Nach Abnahme der Kittungen kam in vielen Fällen der hölzerne Bildträger zum Vorschein: Im Detail des Gemäldes "Einzug in Jerusalem" wird dies deutlich. (Katalog, S. 44, Abb. 17) Foto: Stadt Münster. Veröffentlichung mit dieser Pressemitteilung honorarfrei.

  • Mit einer neuen Kittung wird die Fehlstelle geschlossen und wieder auf das Niveau der Bildschicht gebracht. ("Einzug in Jerusalem", Katalog, S.44, Abb. 18) Foto: Stadt Münster. Veröffentlichung mit dieser Pressemitteilung honorarfrei.

  • Die Kittungen werden mit einer "Strichretusche" geschlossen und der Farbigkeit des Originals angepasst. Bei nahem Betrachten ist die Retusche durch die gestrichelte Ausführung sichtbar. ("Einzug in Jerusalem", Katalog, S.44, Abb. 19) Foto: Stadt Münster. Veröffentlichung mit dieser Pressemitteilung honorarfrei.

  • Jan Baegert, "Tempelgang Mariens", Öl auf Eichenholz, 1505/1510. Leihgabe aus Privatbesitz. Foto: Stadt Münster. Veröffentlichung mit dieser Pressemitteilung honorarfrei.



Zu dieser Meldung können wir Ihnen folgende Medien anbieten:

Jan Baegert: Einzug in Jerusalem

Jan Baegert:Festigung der Malschicht

Jan Baegert:Neue Kittung

Jan Baegert:Abnahme der Kittungen

Jan Baegert: Strichretusche

Jan Baegert:Tempelgang Mariens


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