Meldungsdatum: 01.09.2022

Blaugrünes Leben: Die neue Emscher ist da

Feierlicher Festakt zum Abschluss des Emscher-Umbaus: Bundeskanzler Olaf Scholz pflanzt erste Rebe für neuen großen Weinberg an der Emscher – als Zeichen für den Aufbruch in ein neues Zeitalter im Ruhrgebiet

Ein blauer Fluss mit grünen Ufern ersetzt einen braunen Schmutzwasserlauf mit grauem Betonkorsett: Die seit Anfang des Jahres 2022 vollständig vom Abwasser befreite Emscher begeistert die Region und ihre Menschen. Bundeskanzler Olaf Scholz war am Donnerstag der prominenteste Ehrengast beim offiziellen Festakt zum Abschluss des Generationenprojektes Emscher-Umbau, dem größten europäischen Infrastrukturprojekt der vergangenen Jahrzehnte. Gemeinsam mit Prof. Dr. Uli Paetzel, Vorstandsvorsitzender der Emschergenossenschaft, Dr. Frank Dudda, Ratsvorsitzender der Emschergenossenschaft, und Ina Scharrenbach, Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung des Landes Nordrhein-Westfalen, pflanzte der Regierungschef im neuen Natur- und Wasser-Erlebnis-Park am Wasserkreuz in Castrop-Rauxel die erste Rebe für einen neuen Weinberg an der renaturierten Emscher. Weinanbau an den Ufern einer ehemaligen „Köttelbecke“ – ein starkes Symbol für das neue blaugrüne Leben im Revier!

„Das Generationenprojekt der Emscher-Renaturierung ist ein gutes Beispiel gelingender Transformation. Mit dem erfolgreichen Abschluss des Vorhabens entsteht ein leuchtendes Vorbild für ähnliche Prozesse weit über Deutschland hinaus“, sagt Bundeskanzler Olaf Scholz zur Umgestaltung der Emscher-Flusslandschaft.

Auch Ina Scharrenbach, Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung des Landes Nordrhein-Westfalen, gratuliert zur Fertigstellung des Emscher-Umbaus: „Die Emscher ist ein Fluss im Wandel und hat ihr Gesicht mehrfach verändert: Sie ist vom ursprünglich natürlichen Fließgewässer zum offenen Abwasserkanal in einer dicht besiedelten Industrielandschaft umfunktioniert worden.  Nach über 170 Jahren ist die Emscher nun endlich wieder abwasserfrei, die Umwelt erholt sich und erstrahlt in neuer Blüte. Mit einer großen gemeinsamen Kraftanstrengung des Landes Nordrhein-Westfalen und des Bundes, der Städte und Gemeinden sowie der Emschergenossenschaft werden so heute wieder neue Stadt- und Freiraumqualitäten am Wasser sichtbar und schaffen neues Leben und viele Naturräume.“

Ganz bewusst hat sich die Emschergenossenschaft als Schauplatz ihres feierlichen Schlussaktes keinen Festsaal ausgesucht, sondern die blaugrüne Natur direkt am Fluss: Das sogenannte Emscherland am Wasserkreuz in Castrop-Rauxel ist in seiner Symbolik ein Mikrokosmos des gesamten Emscher-Umbaus – hier schlängelt sich die neue renaturierte Emscher kurvenreich in ihrem neu angelegten Flussbett, hier machen neugeschaffene Radwanderwege die neue blaugrüne Infrastruktur erfahrbar, hier bilden Pflanzbeete, Streuobstwiesen und künftig auch Weinberge den Auftakt für das neue blaugrüne Leben im Revier.

Infrastrukturen ermöglichen Wirtschaftswachstum und Wohlstand
Angesichts aktueller Krisen verdeutlicht der Emscher-Umbau die Bedeutung des Ausbaus von Infrastrukturen für die wirtschaftliche Entwicklung und für den Wohlstand einer Region. „Bereits die Gründung der Emschergenossenschaft 1899 als erster öffentlich-rechtlicher Wasserverband Deutschlands und der erste Emscher-Umbau zu Beginn des 20. Jahrhunderts ermöglichten den wirtschaftlichen Aufstieg des Ruhrgebietes“, sagt Prof. Dr. Uli Paetzel, Vorstandsvorsitzender der Emschergenossenschaft. Mit dem damaligen Ausbau der Emscher-Gewässer zu einem überflutungssicheren System von offenen Schmutzwasserläufen wurde vor über 120 Jahren die notwendige abwassertechnische Infrastruktur geschaffen, die letztlich das Wachstum der Industrieregion Ruhrgebiet überhaupt erst ermöglichte.

„Mit unserer nun erfolgreichen Befreiung der Emscher von ihrer Abwasserfracht haben wir im Herzen des Ruhrgebietes, Deutschlands größtem Ballungsraum, eine hochmoderne wasserwirtschaftliche Infrastruktur geschaffen. Sie ermöglicht nicht nur neues blaugrünes Leben in und an der Emscher, sondern hat in erster Linie als erheblicher Positivfaktor den Wirtschaftsstandort Ruhrgebiet gestärkt und einen Impuls von 13 Milliarden Euro ausgelöst, wie die TU Dortmund berechnet hat“, so Uli Paetzel. Über 5,5 Milliarden Euro investierte die Emschergenossenschaft in das größte europäische Infrastrukturprojekt und schloss es nun, wie geplant nach genau 30 Jahren, auch weitestgehend im Kostenrahmen ab – und das trotz drei Mehrwertsteuererhöhungen seit 1992, einer Währungsumstellung, einer Baupreissteigerung von mehr als 20 Prozent und vielen weiteren neuen behördlichen Anforderungen.

Transformation des Ruhrgebietes beginnt gerade erst
Der erfolgreiche Abschluss des Generationenprojektes bedeutet jedoch nicht das Ende der Transformation des Ruhrgebietes. Vielmehr beginnt diese gerade erst. Die Abwasser-Infrastruktur ist errichtet, neues blaugrünes Leben erobert die Emscher-Gewässer zurück. Am Horizont warten derweil aber zahlreiche weitere Herausforderungen, die durchaus mit den nun gelösten Abwasserproblemen in der Emscher-Zone vergleichbar sind: die Energiewende, die Verkehrswende mit einem zukunftsfähigen ÖPNV als Basis für das Erreichen einer Klimaneutralität sowie die Anpassung der Region an die Folgen des Klimawandels.

Gleichwohl muss die Region attraktiver und lebenswerter gestaltet werden. Aus diesem Grund entwickelte die Emschergenossenschaft bereits während des laufenden Emscher-Umbaus gemeinsam und partnerschaftlich mit ihren Mitgliedern das zunächst rein wasserwirtschaftliche Vorhaben zu einem Leuchtturmprojekt mit starkem städtebaulichem Einfluss. „Erfolgreich auf den Weg gebracht haben wir in den jüngsten Jahren die Klimaanpassung im Ruhrgebiet mit dem Ruhrkonferenz-Projekt „Klimaresiliente Region mit internationaler Strahlkraft“ und der Zukunftsinitiative Klima.Werk“, so Uli Paetzel.

Gut für die Zukunft aufgestellt
Als Infrastruktur-Dienstleister, so versteht sich die öffentlich-rechtliche Emschergenossenschaft, sieht sich Deutschlands größter Abwasserentsorger und Betreiber von Kläranlagen und Pumpwerken für die Zukunft gut aufgestellt. Ähnlich wie bei ihrer Gründung 1899 und nach ihrem Beschluss des Emscher-Umbaus 1991 hat sich der Verband in den vergangenen Jahren bereits unter dem Motto „Horizont 2030“ von innen erneuert und modernisiert, um den anstehenden Herausforderungen weiterhin kompetent begegnen zu können. „Als zuverlässiger Partner unserer Mitglieder wollen wir gemeinsam mit ihnen und den Menschen im Ruhrgebiet die zukunftssichere und lebenswerte Entwicklung unserer Heimatregion gestalten“, sagt Uli Paetzel.

Der Eisvogel kehrt an die Emscher zurück
Um die Emscher vom Abwasser zu befreien, baute die Emschergenossenschaft in den vergangenen drei Jahrzehnten vier moderne Großkläranlagen in Dortmund, Bottrop, Dinslaken und Duisburg und verlegte mehr als 430 Kilometer an neuen unterirdischen Abwasserkanälen. Durch diese Kanäle werden nun die Hinterlassenschaften der Region zu den Kläranlagen transportiert. „Die neue abwassertechnische Hauptschlagader des Ruhrgebietes ist seit fast genau einem Jahr der Abwasserkanal Emscher (AKE). Der 51 Kilometer lange Sammler führt von Dortmund bis Dinslaken – und das in Tiefenlagen von bis zu 40 Metern. Als Herzstücke verteilen unsere drei Großpumpwerke in Gelsenkirchen, Bottrop und Oberhausen das Abwasser auf die Kläranlagen“, sagt Dr. Emanuel Grün, Technischer Vorstand der Emschergenossenschaft. Das Pumpwerk Oberhausen ist Deutschlands größtes Schmutzwasserpumpwerk: Es kann 16.500 Liter befördern – pro Sekunde!

Abwasserfrei ist die Emscher seit dem Jahreswechsel 2021/2022. Parallel zum Kanalbau wurden aber bereits in den vergangenen Jahren mehr als 150 Kilometer an Flusslandschaften entlang der Emscher und ihrer Nebenläufe revitalisiert: Das Betonkorsett wurde entfernt, die Böschungen wurden flacher und vielseitiger gestaltet. Dort, wo der Platz es zuließ, erhielten die früher künstlich begradigten Gewässer wieder einen kurvenreicheren Verlauf. Das Ergebnis des Engagements kann sich mehr als sehen lassen: Das blaugrüne Leben in Form von Groppen, Forellen und Stichlingen kehrt an und in die Emscher zurück. An ihren Ufern wurde nicht nur die seltene Gebirgsstelze gesichtet, sondern auch bereits die Blauflügelige Prachtlibelle.

Vor 30 Jahren, als die Emschergenossenschaft die visionäre Renaturierung der Emscher ankündigte, zeigte man den Kolleginnen und Kollegen noch den Vogel – und heute brütet der Eisvogel als Indikator für eine gute Gewässerökologie wieder am Ufer des zentralen Flusses des Ruhrgebietes. Der Emscher-Umbau ist abgeschlossen, das neue blaugrüne Leben beginnt nun!

Die Emschergenossenschaft
Die Emschergenossenschaft ist ein öffentlich-rechtliches Wasserwirtschaftsunternehmen, das als Leitidee des eigenen Handelns das Genossenschaftsprinzip lebt. Sie wurde 1899 als erste Organisation dieser Art in Deutschland gegründet und kümmert sich seitdem unter anderem um die Unterhaltung der Emscher, um die Abwasserentsorgung und -reinigung sowie um den Hochwasserschutz. www.eglv.de


Zu dieser Meldung können wir Ihnen folgende Medien anbieten:

Festakt zum Abschluss des Emscher-Umbaus

©  Bande für Gestaltung/EGLV
Festakt zum Abschluss des Emscher-Umbaus

Die erste Weinrebe für den neuen Emscher-Weinberg in Castrop-Rauxel pflanzte Bundeskanzler Olaf Scholz gemeinsam mit Dr. Frank Dudda, Ratsvorsitzender der Emschergenossenschaft, Prof. Dr. Uli Paetzel, Vorstandsvorsitzender der Emschergenossenschaft, und NRW-Städtebauministerin Ina Scharrenbach. Die Pflanzung fand im Rahmen des offiziellen Festaktes zum Abschluss des Emscher-Umbaus statt.


Emscher im Jahr 1900

©  Archiv Emschergenossenschaft
Emscher im Jahr 1900

Die noch kurvenreiche Emscher in Dortmund im Jahr 1900: Überschwemmungen gehörten zur Tagesordnung. Ein Jahr zuvor war die Emschergenossenschaft gegründet worden mit dem Ziel, solche Bilder in Zukunft zu verhindern – mit Erfolg: Auch heute sichern Deiche auf einer Gesamtlänge von rund 120 Kilometern die angrenzenden Wohngebiete vor Überschwemmungen.


Emscher: Betonsohlschalen

©  Archiv Emschergenossenschaft
Emscher: Betonsohlschalen

Mit Betonsohlschalen begradigte und regulierte die Emschergenossenschaft die Nebenflüsse der Emscher. Anders als vielerorts angenommen, wurden beim Hauptlauf der Emscher keine Betonsohlschalen eingesetzt – dafür ist der Fluss zu breit und zu tief. Im Rahmen der Renaturierung des Emscher-Systems werden die Sohlschalen an den Nebenläufen nun nach und nach entfernt.


Emscher in Oberhausen

©  Ilias Abawi/EGLV
Emscher in Oberhausen

Diese kerzengerade Optik der Emscher, wie hier in Oberhausen, hat die Region über Jahrzehnte geprägt. Auch wenn es hier schon sehr idyllisch aussieht, wurde dieses Bild 2020 aufgenommen, als die Emscher noch Abwasser geführt hat. Mittlerweile ist die Emscher abwasserfrei und wird in den kommenden Jahren nach und nach renaturiert.


Emscher-“Versuchsstrecke” in Dortmund

©  Ute Jäger/EGLV
Emscher-“Versuchsstrecke” in Dortmund

Auf der knapp zwei Kilometer langen Versuchsstrecke der Emscher in Dortmund-Deusen untersucht die Emschergenossenschaft gemeinsam mit der Universität Duisburg-Essen die ökologischen Auswirkungen der Umbaumaßnahmen am Gewässer. Ziel ist es, die beste Möglichkeit der Renaturierung herauszufinden, um diese später auf die anderen Gewässerteile zu übertragen.


Hochwasserrückhaltebecken Emscher-Auen

©  Michael Kemper/EGLV
Hochwasserrückhaltebecken Emscher-Auen

Praxistest bestanden! Bei dem Starkregenereignis im Juli 2021 ist das Hochwasserrückhaltebecken Emscher-Auen das erste Mal vollgelaufen. Es hat seine Aufgabe erfüllt und die unterhalb der Emscher liegenden Kommunen vor den Wassermassen geschützt. Die Emscher-Auen sind rund 33 Hektar groß und können im Hochwasserfall rund 1,1 Millionen Kubikmeter Wasser aufnehmen – das sind rund 7 Millionen Badewannen.


Abwasserkanal Emscher

©  Jochen Durchleuchter/EGLV
Abwasserkanal Emscher

Auf 51 Kilometern Länge hat die Emschergenossenschaft den Abwasserkanal Emscher (AKE) zwischen Dortmund und Dinslaken verlegt. Insgesamt 17.000 Rohre ersetzen nun den einstigen Abwasserfluss. Bis zu 42 Meter tief fließt das Abwasser mit vier Kilometern pro Stunde unter der Erde. Mit der Inbetriebnahme des Pumpwerks Oberhausen ging auch der gesamte AKE im August 2021 in Betrieb.


Pumpwerk Gelsenkirchen

©  Markus Greulich/EGLV
Pumpwerk Gelsenkirchen

Das Pumpwerk Gelsenkirchen – hier in wunderschöner Abenddämmerung – ist eine ingenieurtechnische Meisterleistung. Hier wird das Schmutzwasser aus den Städten Dortmund, Castrop-Rauxel, Recklinghausen, Herten und Herne das erste Mal angehoben. 11 Pumpen befördern rund 12.800 Liter Wasser pro Sekunde knapp 26 Meter hoch. Nebenbei ist die innovative Anlage auch noch eine echte Landmarke der Region.


Kläranlage Bottrop

©  Markus Greulich/EGLV
Kläranlage Bottrop

Die Kläranlage in Bottrop ist eine der größten Kläranlagen in Deutschland. Ihre vier Faultürme sind mit einer Höhe von 54 Metern und einem Gesamtvolumen von 54.000 Kubikmetern die größten ihrer Art. Die Klärbecken haben eine Gesamtfläche von 58.000 Quadratmetern und in ihnen werden 8.500 Liter Wasser pro Sekunde gereinigt. Das Besondere an der Kläranlage in Bottrop ist außerdem: Sie ist energieautark. Das heißt: Die gesamte Energie, die die Anlage benötigt, stellt sie selbst her – unter anderem über Windenergie oder solarthermische Klärschlammtrocknung.


Pumpwerk Oberhausen

©  Rupert Oberhäuser/EGLV
Pumpwerk Oberhausen

Mit der Inbetriebnahme des Pumpwerks Oberhausen im August 2021 wurde der Schlussspurt des Emscher-Umbaus eingeläutet. Bis zu 16.500 Liter Abwasser können von den zehn Pumpen pro Sekunde aus einer Tiefe von bis zu 40 Metern hochgepumpt werden. Das letzte der drei Pumpwerke entlang des Abwasserkanals Emscher (AKE) war der große Meilenstein für den Abschluss des Generationenprojektes.


Kläranlage Emscher-Mündung

©  Markus Greulich/EGLV
Kläranlage Emscher-Mündung

Die Kläranlage Emscher-Mündung in Dinslaken, kurz auch gern KLEM genannt, ist die letzte Station des Abwassers, bevor es gereinigt in den Rhein geleitet wird. Lange war die Anlage eine Fluss-Kläranlage, durch die die gesamte Emscher floss. Von 2014 bis 2019 wurde das Klärwerk bei laufendem Betrieb umgebaut. Mit der Maßnahme passte die Emschergenossenschaft ihre Anlage an das neue Emscher-System an. Erhielt das Klärwerk früher über den Emscher-Fluss eine hohe Wassermenge mit relativ niedriger Konzentration an Abwasser, verringerte sich nach der Inbetriebnahme des neuen unterirdischen Abwasserkanals Emscher zwar die Wassermenge – allerdings fiel die Abwasserkonzentration höher aus. Der nun saubere Fluss fließt dagegen nur noch an der Anlage vorbei.