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Magdeburg, 28. Oktober 2002
Offener Brief des Zoodirektors an die Magdeburger Bevölkerung

Magdeburg. Die Reaktionen der ihren Zoo liebenden Magdeburger auf meine Entscheidung zur Abgabe der Elefantin "Arusha" in eine andere Elefantenhaltung veranlassen mich, noch einmal meine ganz persönliche Stellung zu diesem Schritt darzustellen. Grundsätzlich habe ich mir diese Entscheidung als Direktor des Zoologischen Gartens Magdeburg nicht leicht gemacht und das Für und Wider lange Dauer überlegt. Mir ist bewusst, dass unsere Elefanten zu den Lieblin-gen der meisten Zoobesucher gehören. Seit über 30 Jahren arbeite ich in Zoos, davon über 28 Jahre im Zoo Magdeburg. In dieser Zeit lernte ich auch viele andere Zoos in der Welt persönlich kennen oder weiß über sie Be-scheid - einschließlich ihrer Elefantenhaltung. Mir ist daher bewusst, welche Problematik die traditionelle Art der Haltungsform dieser großen Wildtiere in sehr vielen Zoos beinhaltet. Doch eben aus dieser gewohnten Tradition heraus verdrängte auch ich, wie viele meiner Kol-legen, die gegebenen Haltungsprobleme mit ihren Nachteilen für die Tiere und Gefahren für die Tierpfleger. Wie in vielen Fällen des täglichen Lebens muss erst etwas passieren, bevor die Augen wirklich geöffnet werden. Die glücklicherweise für die Gesundheit glimpflich verlaufene, dennoch schwerwiegende Attacke der Elefantin "Arusha" auf einen der Magde-burger Elefantenpfleger war ein deutlicher Warnschuss. Elefanten erscheinen entgegen der tatsächlichen Gegebenheiten für Zoobesucher im allgemei-nen als harmlose, friedliche "graue Riesen". Durch den offenbar problemlosen Umgang der Tierpfleger mit ihnen scheint keine Gefahr von den Elefanten auszugehen. Vielleicht wurden sie gerade dadurch zu Besucherlieblingen.

Ausgehend von den Methoden mit den Arbeitselefanten im asiatischen Raum setzte man den direkten und ungeschützten Umgang mit den Elefanten ohne Sicherheitssysteme für die Tier-pfleger auch in den Zoos um. Dabei müssen die Elefanten durch Kommandohörigkeit dazu gebracht werden, den Pfleger als Überlegenen anzuerkennen. Sie müssen sich ihm unterord-nen. Der Pfleger seinerseits muss diese Unterordnung durchsetzen. Dazu gehört auch aus Si-cherheitsgründen für die Elefanten untereinander und für bestimmte Pflegemaßnahmen die Ankettung der Tiere. Die Pfleger stecken also in dem Zwiespalt zwischen notwendigen Be-strafungsmaßnahmen für ihre Anerkennung bei den Elefanten und der Kritik von den beob-achtenden und mit den Elefanten fühlenden Zoobesuchern. Aufgrund der erkannten Gefährlichkeit von Elefantenbullen - vor allem während der Musthzeit - werden diese in den meisten Zoos schon seit längerem unter hohen Sicherheits-vorkehrungen ohne oder im geschützten Kontakt gehalten. Da weibliche Elefanten keine Musthzeit haben, wurden sie für harmloser erachtet. Doch dokumentiert die Unfallquote et-was anderes. In den vergangenen 20 Jahren wurden in den europäischen und nordamerikani-schen Zoos mit diesen traditionellen Haltungsbedingungen 40 Pfleger tödlich und über 50 teilweise schwer verletzt. Viele von ihnen waren langjährige, erfahrene Pfleger. Dabei wurden 75% der Fälle durch weibliche Elefanten verursacht. Allein im vergangenen und diesem Jahr starben in europäischen Zoos vier Elefantenpfleger. Unter den weiblichen Elefanten waren nicht wenige, die über Jahre keinerlei aggressive Anzeichen zeigten, die Kommandos der Pfleger stets ausführten und daher als vertrauenswürdig galten. Überraschend erfolgte dann ein Angriff. Die beteiligten Elefanten mussten nach solchen Unfällen fast stets in andere Haltungen gegeben werden, wo die Schutzmaßnahmen für die Pfleger besser sind, oder wur-den mitunter auch getötet. Einige Zoos gaben daraufhin ihre Elefantenhaltung vollkommen auf. Der Direktor des Ruhr-Zoos Gelsenkirchen schreibt nach einem solchen Vorkommnis: "Die ... Darstellung des Für und Wider zeigt ..., wie Situationen entstehen, in denen man sich im Zoo ernsthaft mit der Verantwortung für Tiere ... auseinandersetzen muss. Dabei kann der Schluss unvermeidlich sein, dass man unter den gegebenen Umständen auf die Haltung be-stimmter Tierarten zu verzichten hat, bis bessere Verhältnisse geschaffen werden können."

Und diese besseren Verhältnisse haben eine ganze Reihe von Zoos bereits umgesetzt - zu-meist mit Neubauten für die Elefanten. Nur ungenügend lässt sich in vorhandenen Altbauten eine günstigere Situation für die Elefanten, wie für die Pfleger schaffen. Immer mehr Zoos verfügen über Elefantenanlagen, die eine Haltung ohne den direkten Kontakt von Elefant und Pfleger ermöglichen. Dort werden die Elefanten zumindest so gehalten, dass sie nachts nicht angekettet in geräumigen Einzelställen stehen und sich am Tag überwiegend untereinander in der Gruppe beschäftigen. Sicher soll nach meiner Auffassung der Elefantenpfleger auch weiterhin den Kontakt mit seinen Pfleglingen suchen und fördern, wie das auch für Zootier-pfleger bei anderen Wildtieren gilt. Doch muss sich der Elefant ihm nicht zwingend unterord-nen. Der Kontakt kann jederzeit gefahrlos vom Pfleger unterbrochen werden, ohne dass die Pflege des Elefanten darunter leidet. Das verlangt großzügigere Anlagen mit mehr Gestaltung und Ausstattung, mit Selbstpflegemöglichkeiten für die Elefanten beispielsweise durch ver-schiedenartigen und höhenstrukturierten Untergrund und einiges mehr.

Auch im Zoo Magdeburg besteht bisher die herkömmliche Haltung, noch dazu in veralteter Größe und damit nach den heute geltenden gesetzlichen Mindestanforderungen ohnehin zu klein. In diesem Wissen planen meine Mitarbeiter und ich seit längerem ein neues Elefanten-haus mit entsprechend großen Anlagen und den notwendigen Sicherheitsvorkehrungen. Es soll eine für beide Seiten wesentlich bessere, moderne Elefantenhaltung geschaffen werden. Die Umsetzung geht selbstverständlich nicht so schnell. Solch eine Anlage erfordert umfang-reiche Planungen auch finanzieller Art und deren Einordnung in das Ganze eines Zoos. Da unsere Elefanten bisher noch nichts akut bedrohliches anrichteten, habe ich keinen besonde-ren Vorrang vor anderen Vorhaben im Zoo gesehen. Da geht es mir, wie nicht wenigen mei-ner Kollegen. So war beispielsweise bei uns eine neue Unterkunft für Menschenaffen dringli-cher. Eine neue Löwenanlage musste erst gebaut werden, damit Platz für ein Elefantenhaus geschaffen wird. Und ganz gewiss sahen es unter den Bedingungen des Umgangs mit den Elefanten auch die Pfleger nicht anders. Doch führte der Angriff der einen Elefantin auf einen Pfleger nunmehr tatsächlich zu einem dringenden Handlungsimpuls. Aber auch jetzt ist eine neue Elefantenanlage nicht von heute auf morgen errichtet. Ein paar Jahre werden ins Land gehen.

Die objektiv vernünftigste Lösung wäre gewesen, die Elefanten unter den gegenwärtigen Be-dingungen insgesamt in bessere Haltungen abzugeben. Dabei wäre nicht nur die Gefahr für die Pfleger ausgeschlossen worden, sondern die Elefanten selbst hätten ein wohl angenehme-res Zuhause erhalten. Die Tierpfleger müssten dann jedoch bis zur Errichtung eines neuen Hauses auf Elefanten als Pfleglinge verzichten, haben sie doch aber auch noch andere Tiere im Zoo zu betreuen. In dieser Weise erfolgte mein Entschluss auch bereits kurze Zeit nach dem Angriff "Arushas" auf den Pfleger. Ich habe mich aber schließlich in der Folgezeit von der emotionalen Verbundenheit der Mag-deburger mit den Elefanten im Zoo leiten lassen und meinen Entschluss dahingehend gefasst, zwei der drei Tiere hier zu belassen. Das kann ich aber nur verantworten, wenn in der ohnehin beengten Unterkunft kurzfristig provisorische Sicherheitseinrichtungen eingebaut werden. Diese engen allerdings die den Elefanten zur Verfügung stehende Fläche noch weiter ein. Für drei Elefanten ist es dann unzumutbar und widerspricht vollkommen den tiergärtnerischen Erfordernissen. Ein weiträumiger Umbau des Hauses ist selbst unter hohen finanziellen Aus-gaben aus bautechnischer Sicht unmöglich, noch zumal die Winterzeit anbricht und damit die Tiere die meiste Zeit im Haus verbringen müssen. Mit dem aus der Sicht des Zoobesuchers entstandenen Willen einer ganzen Anzahl Magde-burger, die Elefantenhaltung in unserem Zoo auch nicht vorübergehend einzustellen, gehe ich einen noch vertretbaren Kompromiss ein. Ich habe mich dafür entschieden, einen der Elefan-ten in eine andere Haltung abzugeben, wo er auf jeden Fall bessere Verhältnisse als im Zoo Magdeburg vorfindet. Es ist "Arusha", die unter den drei Elefanten am wenigsten berechenbar ist, wie sich in der Vergangenheit in kleineren Attacken und in diesem Jahr durch einen schwerwiegenderen Angriff zeigte. Jedoch bleiben "Birma" und "Mwana" in Magdeburg. Mir als Zoodirektor kann keiner die Verantwortung für die mögliche Unversehrtheit der Elefan-tenpfleger beim Umgang mit den Tieren abnehmen, auch nicht die Elefantenpfleger selbst. Aber ich kann auch vor mir nicht noch länger die Verantwortung der nunmehr deutlich be-wusst gewordenen Gefahr tragen. Ich wünsche mir, dass dies bei einigem Nachdenken über die Situation ein jeder Zoobesucher verstehen möge. Der Abschied von "Arusha" wird sicher ein trauriger Tag, letztendlich aber wohl am allerwenigsten für "Arusha" selbst.

Michael Schröpel Zoodirektor

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