14.07.2020 - Kreis Steinfurt
Blick in den Krisenstab Teil 4: Das Lazarett in LaerEhrenamtliche versorgen derzeit Infizierte aus dem Kreis Warendorf
Kreis Steinfurt. Eine lange Auffahrt führt zum ehemaligen Marienhospital in Laer, ringsum stehen Bäume, die Atmosphäre ist ruhig. Es wechseln sich Fahrzeuge des Deutschen Roten Kreuzes und des Malteser Hilfsdienstes ab, auch die Feuerwehr macht hier mal Station, regelmäßig fährt auch die Polizei vorbei.
Früher ein Krankenhaus, ist das Gebäude mittlerweile ein Element der Gefahrenabwehr: Im März hat der Krisenstab des Kreises Steinfurt es wieder in Betrieb genommen und Fieberlazarett getauft, um Kapazitäten für den Fall zu schaffen, dass die Krankenhäuser im Kreisgebiet an ihre Grenzen geraten bei der Behandlung von am Coronavirus erkrankten Menschen. „Zum Glück haben wir das Lazarett zwischenzeitlich, als die Zahl der Infizierten stark sank, nur auf Eis gelegt und nicht komplett geschlossen“, sagt Krisenstabsleiter Dr. Martin Sommer. So konnte der Krisenstab umgehend reagieren, als die Bezirksregierung im Juni um Unterstützung bat bei der Behandlung von Covid 19-Erkrankten aus dem Kreis Warendorf.
Es sind Ehrenamtliche, die zurzeit die Infizierten aus dem Nachbarkreis im Fieberlazarett versorgen. Wenn sie zum Dienstbeginn die lange Auffahrt hochfahren, beginnen besondere Stunden eines neuen Alltags, der so fern scheint von der üblichen Tätigkeit als Schilder- und Lichtreklameherstellerin, als Berufskraftfahrer oder Baustellenüberwacher, von der sie freigestellt wurden. Ihr Gehalt zahlt ihnen der Arbeitgeber, aber dieser bekommt es vom Kreis Steinfurt erstattet.
Frederike Dudenhausen (30 Jahre), Jens Hermsen (45) und Maximilian Dartmann (26) sind drei der Ehrenamtlichen, die dafür sorgen, dass der Betrieb im Lazarett gut läuft. Dartmann leitet das Haus, er, der sonst Baustellen überwacht, hat jetzt ein Auge auf interne Prozesse. Sein Team im Einsatzleitwagen bündelt für ihn wichtige Informationen, beispielsweise wann und wie viele neue Patienten kommen und wann andere entlassen werden. Auch die Medikamentenversorgung und der Schutzmaterial-Vorrat wird hier koordiniert. In täglichen Besprechungen, ob mit der zweiten Hausleitung Frank Achterkamp, Vertretungen des Ordnungsamtes in Laer, dem Kreisbrandmeister Raphael-Ralph Meier, der die direkte Verbindung zum Krisenstab des Kreises Steinfurt darstellt, oder der Polizei wird besprochen, was in den nächsten 24 Stunden zu erwarten ist oder ob Probleme zu lösen sind.
„Natürlich haben viele am Anfang trotz aller Schulungen Bedenken gehabt, mit Covid-19-Infizierten zu arbeiten. Denn das Virus war für alle neu“, erinnert sich Dartmann an die ersten Tage. Er, der die Vollschutzkleidung aufgrund seines abgetrennten Büros nur dann tragen muss, wenn er die Station betritt, weiß dennoch um deren Wirkung: Auch wenn es keine hundertprozentige Sicherheit geben kann, hat der Vollschutz den Ehrenamtlichen ein Sicherheitsgefühl vermittelt – der Vollschutz und Menschen wie Jens Hermsen.
Der 45-Jährige, der eigentlich als Berufskraftfahrer arbeitet, ist einer von mehreren Ehrenamtlichen, die in der Schleuse tätig sind. Sie sorgen dafür, dass sich die Mitarbeitenden auf der Station wie beispielsweise Frederike Dudenhausen sicher fühlen. Wenn sie zu Jens Hermsen in die Schleuse kommen, tragen sie bereits Krankenhauskleidung. Der 45-Jährige hilft dabei, den Schutzanzug anzuziehen, der so ähnlich aussieht wie ein Maleroverall. Nase und Mund bedeckt kurz darauf eine Maske und die Augen eine Brille. Die Hände werden mit Handschuhen geschützt. Anschließend wird alles noch einmal kontrolliert. Hinter der Schleuse zieht das Stationspersonal Gummistiefel an, da diese leicht desinfiziert werden können.
So beginnt für Frederike Dudenhausen jede Schicht. In Vollschutz erfährt sie dann, was in der Schicht zuvor geschehen ist und bespricht mit ihrem Team, was aktuell ansteht. In der Frühschicht beispielsweise werden Kaffee und Tee gekocht und das extern angelieferte Frühstück wird verteilt. Geweckt wird niemand, denn Schlaf ist bekanntlich die beste Medizin. Die Vitalparameter werden gemessen, wenn die Bewohner gefrühstückt haben. Auch wenn täglich ein Arzt nach ihnen sieht, sind im Fieberlazarett keine Menschen, die so krank sind, dass sie in einem Krankenhaus besser aufgehoben sind. Manche haben keine Symptome und fühlen sich in dem abgezäunten Garten mit Tischtennisplatte und Fußballtor wohl. Sie alle sprechen kaum Deutsch und deshalb ist es immer möglich, einen Dolmetscher hinzuzuziehen. Oft notwendig war das bisher allerdings nicht: „Wir können uns sehr gut mit Händen und Füßen verständigen“, schmunzelt Frederike Dudenhausen. Ihr und ihren Kollegen ist es wichtig, dass der Aufenthalt für die Isolierten so angenehm wie möglich ist – vor allem, weil diese bisher alle sehr nett waren, wie Dudenhausen erzählt. „Die Bewohner sind sehr vorsichtig mit den Ehrenamtlichen umgegangen“, sagt Kreisbrandmeister Raphael-Ralph Meier. Sie seien immer auf Abstand bedacht gewesen, freundlich und dankbar für die umfassende Betreuung und die Räumlichkeiten.
Nach der Schicht steht die Schleuse wieder auf dem Programm: Die Gummistiefel ziehen die Stationsmitarbeitenden noch vor der Schleuse aus, wo sie desinfiziert werden. Nun dauert es noch rund 15 bis 20 Minuten, denn jetzt müssen Jens Hermsen und seine Kollegen davon ausgehen, dass zumindest die oberste Schutzschicht kontaminiert ist. Dementsprechend vorsichtiger als bei der Einschleusung müssen sie sein, um auch ihre eigene Gesundheit zu schützen. Das Schutzmaterial wird desinfiziert oder entsorgt.
Ob Maximilian Dartmann, Jens Hermsen und Frederike Dudenhausen: Sie alle genießen das Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun, das zu zeigen, wofür sie vom Deutschen Roten Kreuz oder vom Malteser Hilfsdienst lange ausgebildet wurden. Bedrückt ist hier niemand, ganz im Gegenteil. Es sei eine sehr gute Stimmung, sagen die Drei, eine entspannte Atmosphäre, die viele oft nicht direkt nach Dienstschluss verlassen, sondern sich bei einer gemeinsamen Tasse Kaffee oder einer Cola noch austauschen.
Schon bald wird das Fieberlazarett wieder ohne Menschen sein. Ohne Infizierte, ohne Ehrenamtliche, denn zumindest erstmal wird der Kreis Steinfurt keine Neuerkrankten aus dem Nachbarkreis mehr aufnehmen. Komplett zurückgebaut wird das Lazarett aber nicht: „Wir wollen vorbereitet sein auf eine eventuelle zweite Welle“, sagt Dr. Sommer. Dafür sei es wichtig, das Lazarett jederzeit wieder aktivieren zu können – und dabei auf die Hilfe der Ehrenamtlichen wie Frederike Dudenhausen, Jens Hermsen und Maximilian Dartmann bauen zu können.
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