23.02.2022 - Stadt Leverkusen
Hochwasser-Katastrophe: Stadt und Wupperverband informierten Bürgerinnen und Bürger
Fast 120 Leverkusenerinnen und Leverkusener haben an einer Online-Informationsveranstaltung zur Hochwasser-Katastrophe im vergangenen Jahr teilgenommen. Stadtverwaltung und Wupperverband hatten die Leverkusener Bürgerinnen und Bürger im Rahmen des Forums „ZAK – Zukunfts-Aufgabe klimaresilientes Leverkusen“ zu dieser Veranstaltung eingeladen. Im Mittelpunkt der Informationen stand bei der Zoomkonferenz eine Präsentation des Wupperverbandes, die ausführlich darlegte, wie das extreme Hochwasser in Juli entstand, welche Faktoren beim Hochwasserschutz zusammenspielen und welche Maßnahmen schon eingeleitet wurden, bzw. nun in Angriff genommen werden sollten, um die Folgen bei ähnlichen Extremwetterlagen in Zukunft kontrollierbarer halten zu können.
Im Bericht des Wupperverbandes heißt es, ein solches Niederschlagsereignis trete statistisch seltener als einmal in 1.000 Jahren auf - solche bisher auch von Fachleuten unvorstellbaren Regenmengen kamen bei diesem Extremereignis flächendeckend im gesamten Wuppergebiet zustande.
„Der Klimawandel macht es jedoch heutzutage wahrscheinlicher, dass Extremwetterlagen auch in unseren Breitengraden zur Bedrohung werden“, sagt Umweltdezernent Alexander Lünenbach, „gewarnt haben die Experten davor schon seit Jahrzehnten - jetzt erleben wir, was das bedeutet.“ Auf kommunaler Ebene gelte es, die Stadt widerstandsfähig gegen die Folgen des Klimawandels zu machen, ergänzt Christiane Jäger, seit Oktober Leiterin des neugegründeten Fachbereichs ‚Mobilität und Klimaschutz‘. Dazu gehöre auch ein verbesserter Hochwasserschutz.
Mehr als 135 Liter pro Quadratmeter gingen am 14. Juli 2021 während 24 Stunden durchschnittlich auf Leverkusen nieder. „Wasser kommt bei 135 Liter/m2 in der Fläche von überall…“, heißt es in der Präsentation des Wupperverbandes, also aus dem Gewässer selbst, aus dem Kanal, durch das Grundwasser, von den Hängen und Dächern, von den Straßen und natürlich „von oben“, sprich durch den Regen. Entsprechend wurde der höchste Pegelstand der Dhünn in Manfort im Juli mit 387 Zentimetern gemessen (15.07.2021, 01:50 Uhr). Zum Vergleich: Als von der Bezirksregierung festgelegtes 1000-jährliches Extremhochwasser galt bis dahin ein Pegelstand der Dhünn von 319 Zentimetern.
Talsperren wirkten dämpfend auf die Pegelstände der Flüsse und Gewässer
Georg Wulf, Vorstand des Wupperverbandes und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erklärten in ihrem Vortrag die Funktion der Talsperren für den Hochwasserschutz und legten dar, dass nach den Wetterprognosen des Deutschen Wetterdienstes schon im Vorfeld auf die prognostizierten Regenmengen reagiert und sukzessive Wasser u.a. aus der Wupper-Talsperre abgegeben wurde, um Stauraum zu schaffen und Wasser zurückhalten zu können. Allerdings übertrafen die Regenmengen deutlich die vorherige Prognose für das Wuppergebiet und fielen darüber hinaus flächendeckend aus.
Die Wupper-Talsperre hat während des gesamten Ereignisses zu jeder Zeit weniger Wasser abgegeben, als zugeflossen ist. Im Bericht des Wupperverbandes heißt es, die Wupper-Talsperre habe „dämpfend gewirkt und den Spitzenabfluss zeitlich verzögert“. Darüber hinaus habe die Große Dhünn-Talsperre während des Ereignisses mehr als acht Millionen Kubikmeter Wasser ohne Abgabe aus der Talsperre an den Unterlauf der Dhünn zurückgehalten. „Talsperren können immer nur die Wassermengen puffern, die von oberhalb zufließen“, erläuterte Georg Wulf. „Bei dem Extremereignis haben wir gesehen, welche Wassermengen auch unterhalb der Talsperren abfließen. Dies ist ein Bestandteil der laufenden Analyse und Aufarbeitung.“
Das Hochwasser wird durch ein externes Gutachten der RWTH Aachen umfassend wissenschaftlich aufgearbeitet. Die Erkenntnisse daraus werden in die weitere Optimierung mit einfließen. Der Wupperverband hat ein Zukunftsprogramm Hochwasserschutz erarbeitet und ist bereits mitten in der Umsetzung dieser Agenda, die kontinuierlich weiterentwickelt wird. An Talsperren am Oberlauf der Wupper soll in Zukunft auch im Sommer mehr Retentionsraum zur Verfügung stehen. Dies wird auch für die Trinkwassertalsperre Große Dhünn geprüft. Die Talsperren sind Multifunktions-Bauwerke, deren verschiedene Nutzungsansprüche (Hochwasser, Niedrigwasseraufhöhung, Rohwasserbereitstellung) in Zeiten geänderter Klimabedingungen in eine neue Balance gebracht werden müssen. Außerdem sollen durch die Erweiterung des Messnetzes und differenziertere Messmethoden und Simulationsmodelle die Talsperrensteuerung und die Prognosemöglichkeiten für die Pegel optimiert werden.
Die Schäden in Leverkusen wurden vom Wupperverband in Zusammenarbeit mit der Stadt Leverkusen und den Technischen Betrieben Leverkusen analysiert und mögliche Verbesserungsmaßnahmen des Hochwasserschutzes geprüft. Für die Wupper sei es angeraten, hieß es in dem Vortrag, eine Deicherhöhung zu überdenken. Die Deiche hätten zwar gehalten, seien aber lediglich für ein Jahrhunderthochwasser ausgelegt. Für den Wiembach wurden weitere Retentionsflächen im Oberlauf und verschiedene Hochwasserschutzmaßnahmen in den Wohngebieten geprüft, darunter als Vorzugsvariante die Ausweitung des Fließquerschnitts. An der Dhünn in Schlebusch ist ein Deichbau der TBL geplant. Eine Offenlegung des Mutzbaches in Manfort wurde geprüft, ist aber nicht machbar.
Machbar und sinnvoll allerdings erscheint nach Analyse des Wupperverbandes eine bauliche Ausweitung des Ophovener Weihers, der als Hochwasserrückhaltebecken dient. Die Überschwemmung würde mit dieser Maßnahme bei vergleichbaren Extremwetterlagen von rd. 75.000 Quadratmetern auf ca. 5.000 Quadratmeter zurückgehen und die Überströmung der Oulu-Straße unterbunden werden. Hier wird bereits eine EU-weite Vergabe der Planung vorbereitet. Bei allen Gewässern sei ein verbesserter „grüner“ Hochwasserschutz sinnvoll. Es muss weiterhin für eine „Entfesselung der Ufer“, also eine Verbreiterung der Gewässer bei den Grundstückseigentümern geworben werden.
Am Schluss des Vortrags beschrieben die Fachleute vom Wupperverband, wie Informationen mit den Kommunen detaillierter und schneller ausgetauscht werden können. Das beginnt bei der Lagebesprechung mit dem Hydrologen vom Dienst, geht über eine Schulung zum Hochwasserportal, dem Einbinden weiterer Parameter, wie Abgabemengen der Talsperren, in die automatisierten Meldungen an die Kommunen, bis zu der Empfehlung für alle, die in Hochwasserrisikogebieten leben, mit dem Hochwasser-Pass des HochwasserKompetenzCentrums zu prüfen, ob man betroffen sein kann und welche Schutzmöglichkeiten man umsetzen kann.
Chatfragen fast im Minutentakt
Schon während des Vortrags aber auch im Anschluss daran wurden per Chat fast im Minutentakt Fragen gestellt. Die Fragen und Anmerkungen reichten von Anpassung der Hochwassergefahrenkarten über konkrete Ortslagen und betroffene Bäche bis hin zu verbesserter Kommunikation und Warnung. So interessierte mehr als einen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer, ob die Hochwassergefahrenkarten der Bezirksregierung nach diesem Ereignis nun angepasst würden. Das sei zu erwarten antwortete Georg Wulf vom Wupperverband und werde sicher gründlich geprüft. In eigenen Planungen des Verbandes hat es bereits erste Anpassungen gegeben.
Der geplante Deich in Schlebusch wiederum rief die Besorgnis wach, dass Randlagen wie Gut Hummelsheim bei Extremhochwasser wie im vergangenen Jahr gefährdet seien. Diese Besorgnis nahm Dr. Marlene Liebeskind, Bereichsleitung Gewässerentwicklung beim Wupperverband, auf. In Außenbereichen ist lokaler Hochwasserschutz die richtige Wahl. Hier wird nochmals Kontakt zu den Betroffenen hergestellt.
Viele Fragen drehten sich um den Hochwasserschutz für den Wiembach. In Frage gestellt, wurde dort vor allem die Konzentration auf „die letzten 500 Meter“. Dabei wurden konkrete Alternativvorschläge gemacht, wie etwa dort unterirdische Retentionsräume vorzusehen.
Geäußert wurde auch das Bedürfnis nach einer verbesserten Kommunikation und früheren Warnung der Bevölkerung. Der Wupperverband ging darauf sowohl im Vortrag als auch anschließend detailliert ein und beschrieb, welche Maßnahmen bereits getroffen worden seien, um die Kommunikation effizienter zu gestalten. Die Warnung der Bevölkerung ist eine Gemeinschaftsaufgabe, für die der Wupperverband den Kommunen Informationen bereitstellt. Aufmerksam gemacht wurde ausdrücklich auf das „Hochwasserportal“ des Wupperverbandes. Dort seien viele aktuelle Informationen immer abrufbar (https://hochwasserportal.wupperverband.de).
Die Veranstaltung dauerte zwei Stunden, Wupperverband und Stadtverwaltung freuten sich über die vielen und sehr sachlichen Beiträge. Sie versprachen, alle Fragen und Anregungen im Anschluss an die Veranstaltung auszuwerten und im weiteren Dialog zu berücksichtigen, sowie weitere Veranstaltungen zu Einzelaspekten auch wieder in Präsenz zu organisieren. Allerdings habe sich auch das Online-Format als gut geeignet erwiesen, viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer im besten demokratischen Sinne gleichermaßen zu Wort kommen zu lassen, stellte die Fachbereichsleiterin für Mobilität und Klimaschutz, Christiane Jäger, fest. Umweltdezernent Alexander Lünenbach fasste zusammen: „Mir hat der Abend heute auch gezeigt, wie wichtig Themen der Klimaresilienz sind und dass Methoden wie Entsiegelung - Stichwort „Schwammstadt“ - auch den Leverkusenerinnen und Leverkusenern vertraut sind und elementar erscheinen.“
Der Vortrag des Wupperverbandes ist auf der Homepage der Stadt Leverkusen abrufbar: https://www.leverkusen.de/leben-in-lev/natur-umwelt/klimaschutz/hochwasser-information-wupperverband.php
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