(pen) Einfache Wörter und kurze Sätze, keine Abkürzungen und Fremdwörter, viele Absätze und Überschriften sowie große Schrift und erklärende Bilder neben dem Text - die Vorgaben für „leichte Sprache“ sind eindeutig. Erstmals umgesetzt wurden sie jetzt auch von der Kreisverwaltung.
Für die Premiere haben die Mitarbeiter des Fachbereiches Soziales und Gesundheit das Angebot „Fahrdienst für Menschen mit Behinderung“ ausgewählt. Sowohl Informationen wie Antrag und Bewilligungsbescheid liegen nun in übersetzter Form vor.
„Da wir dabei für uns völliges Neuland betreten haben, war das natürlich nicht von heute auf morgen und ohne Unterstützung möglich“, betonte Landrat Olaf Schade bei der Präsentation. Mit Annika Nietzio aus dem Büro für Leichte Sprache der Evangelischen Stiftung Volmarstein aus Wetter (Ruhr) konnte der Kreis auf eine kompetente Ansprechpartnerin quasi direkt vor der Verwaltungstür setzen.
Mit Theorie oder Vorgaben haben sich die Teilnehmer bei ihren Treffen seit Anfang 2016 dabei nicht lange aufgehalten. Sehr schnell stand die Praxis im Vordergrund. Die zum Fahrdienst vorhandenen Dokumente wurden analysiert, vereinfacht und bebildert. Ziel war stets, Texte insbesondere für Menschen mit Lernschwierigkeiten verständlicher zu machen.
„Natürlich“, so die Übersetzer Susanne Sauerwein, Susanna Ritter, Volker Lorenz und Klaus Langewiesche übereinstimmend, „war es nicht ganz einfach, die für uns seit Jahren üblichen Formulierungspfade zu verlassen. Die Mühe hat sich aber gelohnt. Am Ende hatten wir Ergebnisse, die vielen Betroffenen helfen werden, ein Stück selbstständiger zu leben.“
Diese Einschätzung kommt nicht von ungefähr. Denn: Menschen mit Lernschwierigkeiten haben Antrag und Informationsheft unter die Lupe genommen. Von Anfang an klar war die für leichte Sprache übliche Vorgabe: Ohne ihre Zustimmung geht kein Text in Druck. „Sehr hilfreich war für uns auch der persönliche Kontakt mit den Mitgliedern der Prüfgruppe. Hier haben wir eine Menge über die Sichtweisen von Menschen mit Behinderungen erfahren und können diese zukünftig besser berücksichtigen“, berichtet Sauerwein.
Mit dem Druck der „Leichte-Sprache-Premieren“ ist das Vorhaben für die Kreisverwaltung aber noch längst nicht abgeschlossen. Allein rund um das Angebot „Fahrdienst für Menschen mit Behinderung“ gilt es mit unseren Schreiben, die die Anträge ablehnen, Rückfragen stellen oder an die Ausweisverlängerung erinnern, noch einiges zu erleichtern. Ab März stehen zudem verschiedene Unterlagen aus dem Jobenter EN und aus den Bereichen Bildungs- und Teilhabepaket sowie Eingliederungshilfe auf dem Arbeitsplan.
„Als Modellkommune im Projekt ´Verwaltungsakte in Leichter Sprache´ wollen wir den mit dem Forschungsinstitut Technologie und Behinderung eingeschlagenen Weg im Interesse der Betroffenen konsequent fortsetzen“, betont Schade. Hilfreich sind dabei die 260.000 Euro, mit denen die Stiftung Wohlfahrtspflege NRW das Vorhaben fördert.
Gut investiertes Geld, denn: Im Ennepe-Ruhr-Kreis kommt rund jeder zehnte als dankbarer Empfänger von Dokumenten in leichter Sprache infrage. Schätzungen gehen davon aus, dass zwischen Breckerfeld und Hattingen, Herdecke und Schwelm gut 30.000 Menschen von einer Behinderung oder einer Lese-Rechtschreib-Schwäche betroffen sind. Ihnen ist mit deutlich verständlicheren Schreiben viel geholfen.
Stichwort Leichte Sprache/Einfache Sprache
Leichte Sprache und einfache Sprache sind verschieden. Für einfache Sprache gibt es im Gegensatz zur leichten Sprache keine festen Regeln, an die sich alle halten sollen. Jeder bestimmt selbst, was einfache Sprache ist. So gibt es bei Texten in einfacher Sprache oft längere Sätze. Ein Satz kann über zwei oder drei Zeilen gehen. Es gibt Fremdwörter und Fachwörter. Es gibt Abkürzungen. Und: Niemand prüft die Texte.